Fantasien der Nacht
sich nicht mehr so sicher gefühlt hatte, seit sie sich als Sechsjährige in einem Krankenzimmer an die Hand eines groß gewachsenen, gut aussehenden Fremden geklammert hatte, der überhaupt kein Fremder war.
Als sie ausreichend Wärme genossen hatte, um die Kälte aus ihrem Körper zu vertreiben, ging sie hinüber zur Stereoanlage und legte eine CD ein. Mozarts Musik erfüllte das ganze Haus, und Tamara ging von Zimmer zu Zimmer und entzündete jede einzelne Öllampe. Der Tag begann zu schwinden.
Die Nacht stand bevor, und sie war zu aufgeregt und voller Erwartung, um ruhig dazusitzen und zu warten. Sie verbrachte einige Zeit unten im Badezimmer, um ein heißes, duftendes Schaumbad zu genießen. Als sie fertig war, konnte sie dem Drang nicht widerstehen, nach oben ins Schlafzimmer zu gehen und das Kleid anzulegen, das er ihr gegeben hatte.
Sie zog es vorsichtig an, fand eine Bürste und bürstete ihr Haar zu glänzendem Onyx. Als sie zu ihrem Sessel neben dem Feuer zurückkehrte, stand die Sonne tief am Himmel, bereit, zur Gänze zu verschwinden.
In der Geheimkammer jenseits des Kellers blickte Eric auf sein zerrissenes, blutiges Hemd hinab und schnitt eine Grimasse.
„Hattest wohl nicht genügend Zeit, hier klar Schiff zu machen, bevor wir uns hingelegt haben, was, Eric?“ Rolands Grinsen verärgerte ihn noch mehr.
„Ich schätze, du findest das amüsant?“
„Überhaupt nicht. Um ehrlich zu sein, habe ich mir die Freiheit genommen, gewisse Vorkehrungen zu treffen, nachdem ich dich heute Morgen zur Ruhe gebettet habe.“ Roland deutete mit einer Hand auf den frischen Anzug, der in der Nähe hing, und auf die Wasserschüssel auf dem Tischchen neben dem Feuer.
Erics schlechte Laune schwand. „Nur ein wahrer Freund würde einen Gedanken an solch triviale Notwendigkeiten verschwenden.“
„Ich habe keinen Zweifel, dass ich dich eines Tages darum bitten werde, diese Gefälligkeit zu erwidern.“
Eric wusch sich hastig, in dem Wissen, dass Tamara oben auf ihn wartete. Er schlüpfte eilends in seine Kleider und eilte die Treppe hinauf, um sich zu ihr zu gesellen.
Taktvoll, wie er war, ließ Roland sich Zeit, ehe er ihm nachfolgte.
Tamara wartete neben dem Feuer auf Eric. Sie trug das Kleid, und er fühlte einen Kloß in seinem Hals. Als sie ihn hörte, erhob sie sich geschwind und musterte ihn mit offenkundiger Sorge. „Eric. Bist du …“
„Vollkommen wiederhergestellt, Liebste. Ich sagte dir doch, dass Schlaf eine regenerierende Wirkung auf uns hat, nicht wahr? Ich hoffe, du hast dir keine Sorgen um mich gemacht.“
„Ich habe mir um viele Dinge Sorgen gemacht“, gestand sie. Gleichwohl, in seinen Armen entspannte sie sich und legte ihren Kopf an seine Schulter.
Er hielt sie lange mit geschlossenen Augen fest, genoss ihre Nähe, ihren Duft und das Gefühl ihres Körpers so dicht bei seinem. Dann richtete er sich auf, nahm ihre Hand in seine und besah sich ihren verletzten Arm.
„Ist er genäht worden?“ Sie nickte, und Eric hob mit der Hand ihr Kinn, um in ihr Gesicht zu schauen. „Und die anderen Wunden? Hast du noch Schmerzen?“
Ihr Lächeln war Antwort genug für ihn. „Es geht mir gut.“
„Was mich betrifft, so scheint es dir sogar noch besser zu gehen als das“, dröhnte Roland, als er sich ihnen im Salon anschloss. „Wenn es je einen Anblick gab, um einem Mann den Atem zu rauben, dann diesen.“
Tamara schenkte Roland ein Lächeln und senkte dann den Blick. „Sind alle Männer des achtzehnten Jahrhunderts so begnadete Schmeichler wie ihr?“
„Ich bin um einiges älter als das, meine Liebste, weshalb meine Schmeichelei nur als einzigartig gelten kann.“ Just als Eric einen leichten Anflug von Eifersucht verspürte, fuhr Roland fort: „Ich sehe, dass ihr beiden Angelegenheiten von größter Wichtigkeit zu klären habt, und ich selbst habe noch eine Verabredung, deshalb muss ich mich jetzt leider verabschieden.“
„Ich weiß von deiner Verabredung“, sagte Tamara.
Eric blickte ihr verwundert nach, als sie sich aus seiner Umarmung löste, zu Roland hinüberging und sich bei ihm einhakte.
„Was hat das zu bedeuten?“ Erics Tonfall blieb freundlich. „Habt ihr zwei etwa ein Geheimnis?“
„Keins, von dem ich wüsste, Eric.“ Roland musterte Tamara, als sie ihn zum Kanapee führte und ihn niederdrückte, damit er Platz nahm. „Hast du begonnen, auch meine Gedanken zu lesen, Kleines?“
„Nein, aber ich habe heute mit Jameys Mutter gesprochen.“
Roland nickte,
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