Fantastik AG
Dr. »Der Drachenflüsterer« Welk
(Die im Original reichlich vorhandenen roten
Unterstreichungen sind nicht wiedergegeben.)
Â
Wir
stiegen weiter die GroÃe Treppe hinab. Gelegentlich hörten wir das Brüllen des
Drachen, das, wie Professor Welk sich nicht enthalten konnte anzumerken, »auf
ein besonders prächtiges Exemplar« schlieÃen lieÃ.
Am FuÃ
der Treppe gelangten wir in einen langen Korridor, an dessen fernem Ende ein
rötliches Glühen zu sehen war. Ein seltsamer Geruch, der an eine Mischung aus
Schwefel und Maschinenöl erinnerte, erfüllte den Gang. Je weiter wir uns dem
Glühen näherten, desto stärker wurde auch der Gestank.
Das
Brüllen war jetzt ohrenbetäubend, dazu kam ein furchtbares Kreischen, das sich
anhörte, als bewege sich eine riesige verrostete Maschine.
Ich
fragte den Professor, ob er es für ein Zeichen höherer Intelligenz bei Drachen
halte, wenn sie allein im Dunkeln sinnlos vor sich hinbrüllten, woraufhin er
antwortete, er habe es jedenfalls stets als Zeichen höherer Intelligenz bei
Studenten begrüÃt, wenn sie schwiegen, falls sie nichts zu sagen hätten. Ich
merke an dieser Stelle an, dass ich recht behalten habe.
(Hier findet sich im Original der von Prof. Welk an den Rand
geschriebene Kommentar: »Rechthaberei ist keine adäquate wissenschaftliche
Methode!«)
Als der
Gestank die Grenze des Ertragbaren erreicht hatte, gelangten wir an ein groÃes,
offen stehendes Tor. Das Glühen kam aus dem dahinter liegenden Raum, ebenso das
Brüllen sowie etwas, das sich wie der Atem eines riesigen Tieres anhörte.
Die
Luft war heià und trocken.
»Also gut«, sagte der Professor, nahm seinen Hut ab und
wischte sich den Schweià von der Stirn, »gehen wir hinein.«
»Von wir kann keine Rede sein«, stellte
Theodor fest. »Sie können sich meinetwegen von so vielen Drachen umbringen lassen,
wie Sie wollen. Ich ziehe es vor, dem Vorgang aus sicherer Entfernung
beizuwohnen.«
»Sind Sie wirklich sicher? So eine Gelegenheit bietet sich kein
zweites Mal.«
»Das will ich hoffen.«
»Nun gut.« Der Professor setzte seinen Hut wieder auf. »Aber
schreiben Sie sorgfältig mit, was Sie hören.« Er trat durch das Tor.
Theodor lehnte sich rücklings gegen die Wand und holte die
Schriftrolle und Feder hervor, die der König zur Verfügung gestellt hatte â
obwohl dem Zwerg nicht ganz verständlich gewesen war, inwieweit diese
Utensilien beim Kampf gegen einen Drachen von Nutzen sein sollten.
Der Student vermochte allerdings trotz allem seine Neugier nicht
völlig zu bezähmen, also riskierte er es, vorsichtig durch das Tor zu spähen.
Er sah Folgendes:
Eine Halle, deren AusmaÃe mit dem Wort titanisch beschreiben zu wollen einer Verniedlichung gleichkäme. Unstetes rotes Dämmerlicht
erfüllte den unfassbar groÃen Raum. Gewaltige Säulen verloren sich oben im
Dunkel. Rauch hing in dichten grauen Schwaden in der Luft.
In der Mitte der Halle lag auf einem Berg von matt glänzenden
Schätzen â Theodor hielt bei dem Anblick den Atem an: der Drache.
Eine winzige Gestalt, verloren inmitten monumentaler GröÃenordnungen,
ging auf den Drachen zu: der Professor.
Auf der einen Seite etwa
zweihundert Tonnen Lebendgewicht, Schuppen mit der Undurchdringbarkeit
massiver Stahlplatten, eine Flügelspannweite von sechzig Metern, ReiÃzähne mit
der Schärfe von Rasierklingen und nicht zuletzt ein Flammenatem, gegenüber
dessen Temperatur die in Hochöfen vorherrschenden Verhältnisse geradezu
erfrischend kühl genannt werden dürfen.
Auf der
anderen Seite achtzig Zentimeter Gnom, angetrieben von einer Geistesverfassung,
die der Professor selbst mit dem Ausdruck wissenschaftliche
Begeisterungsfähigkeit umschrieb, die jede halbwegs rational denkende Person hingegen als nackter Wahnsinn im Endstadium bezeichnen musste.
»Wetten können jetzt abgeschlossen werden«, murmelte der Student,
zog den Kopf zurück und drückte sich, Schlimmes erwartend, gegen die Wand.
Er hörte die Stimme des Professors sagen: »Seid gegrüÃt, ehrwürdiger
Wurm. Ich bin gekommen, um Euch demütig zu bitten, mich an Eurem tiefen Wissen
teilhaben zu lassen.«
Wenn der Drache ihn gefressen hat, dachte Theodor, laufe ich los.
Das ist nicht feige, sondern ein Gebot der Vernunft.
Die Worte des Professors verhallten in
Weitere Kostenlose Bücher