Fantastik AG
Theodor verkatert und fuhr sich mit der Hand
durch die strähnigen Haare.
»Zaumnu schru gna Umoonuar ba noumanuz zunn rhanuschu«, sagte die
Babo, aus der Höhle kommend, und Professor Welk übersetzte: »Der sympathische
junge Mann sieht aus, als hätte er in einem Weinfass übernachtet.«
»Uuuuunnnm«, entgegnete der Student in der Universalsprache
reuiger Alkoholkonsumenten, die keiner Ãbersetzung bedarf.
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Der Verlorene
Tempel
Nachdem Theodors alkoholisches Unwohlsein mit einer so
übel riechenden wie wirksamen Mixtur behandelt worden war, die die Babo nach
einem Geheimrezept unter mysteriösen Beschwörungsformeln zubereitet hatte, und
nach einem üppigen Frühstück (Fladenbrot, Schafskäse, Oliven, kaltes
Hammelfleisch, Ziegenmilch) verabschiedeten sie sich von den Zyklopen.
»Ourtnaz schraun zouar gna Umoonuar nur amurs zounmal aschgou nal
Ourn anouz«, sagte die Babo: »Möge das Schicksal den sympathischen jungen
Mann und die Geisterstimme auf freundliche Wege führen.«
»Rumoar nurm goor uloanu schtau«, entgegnete Theodor mit einer
höflichen Verbeugung.
»Hervorragend«, kommentierte Professor Welk kurz darauf.
»Ihre neu erworbenen Sprachkenntnisse können Sie guten Gewissens unter der
Rubrik soft skills â wie man das heutzutage wohl
nennt â verbuchen. Sie sind in der Lage, jederzeit in relativ akzentfreiem
Zyklopisch zu sagen: âºMöge deine Nase verdorren.â¹Â«
»Was haben Sie eigentlich so lange mit der Babo besprochen?«,
fragte der Student.
»Dies und jenes. Interkultureller
Austausch auf hohem Niveau.«
Der Professor verstummte. »Uhan nau schuras«, murmelte er leise.
»Was?«, fragte Theodor.
»Das Land verändert sich«, übersetzte Professor Welk. »Das hat
sie gesagt. Es wird weniger. Sie konnte es selbst
nicht genau erklären. Die Dinge schwinden und nur ihre Schatten bleiben.«
»Aha«, sagte der Student, der nach der letzten Nacht noch nicht
wieder in der geistigen Verfassung war, sich mit ominösen Andeutungen
auseinanderzusetzen. »Und was machen wir jetzt?«
»Zunächst sollten wir uns um Eralkes kümmern. Inzwischen dürfte er
die Bedenkliche Treppe erreicht haben.«
»Die Bedenkliche Treppe ?«
»Sie ist Teil des Unbekannten Pilgerpfads, der zum Verlorenen Tempel führt. Es heiÃt, dass mancher Pilger auf
der Bedenklichen Treppe Erleuchtung gefunden hat.«
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»Unt es steiget aus der Schlucht die Bedenkliche
Treppe zum Gypfel empor, höher und höher und höher und höher und â¦Â«
(Die Verschollenen Chroniken, S. 576)
»Ich glaube, ich hatte
gerade eine Erleuchtung«, sagte der Student. »Ich hätte
Wirtschaftswissenschaften studieren sollen. Auf jeden Fall irgendwas, das
nichts mit Wandern zu tun hat.«
Er saà auf dem verwitterten Treppengeländer und begutachtete seine
geschundenen FüÃe.
Die Bedenkliche Treppe stieg in endlosen
Windungen ins Gebirge empor, manchmal führte sie durch enge Felskamine, dann
lief sie wieder an Schwindel erregenden Abgründen entlang, und sie schien kein
Ende zu nehmen.
»Kommen Sie«, entgegnete der Professor. »Es sind höchstens noch
acht oder neun Kilometer.«
»Höchstens!«, rief Theodor. »Wer baut denn so was
Irrsinniges!«
»Ursprünglich wurde die Bedenkliche Treppe von den Zwergen unter Mogmur, dem Ambitionierten gebaut, um einen Handelsweg
zwischen Zeherkzal und dem jenseits der Berge gelegenen Goldbronn zu
schaffen.«
»Das ist schon die zweite absolut überdimensionierte Zwergentreppe,
seit unserer Ankunft in den Fernen Ländern. Versuchen die kleinen Geizlinge mit
solchen architektonischen Monumentalprojekten irgendwas zu kompensieren?«
»Zwergische Treppen-Baukunst ist ein überaus faszinierendes
Thema«, schwärmte der Professor. »Wenn wir zurück in unserer Welt sind, kann
ich Ihnen eine Liste empfehlenswerter Sekundärliteratur zusammenstellen.«
»Oh ja, unbedingt.« Theodor rollte mit den Augen. »Ich kann gar
nicht genug kriegen von zwergischer Treppen-Baukunst.«
»Die Bedenkliche Treppe ist übrigens nie
fertiggestellt worden. Die Zwerge kamen gut voran, bis Riesenprobleme den
Fortgang der Bauarbeiten unterbrachen.«
»Riesenprobleme?«, fragte der Student.
»Der Gebirgsriese Asnabant und seine Sippe fingen an, das Projekt
zu
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