Fantastik AG

unter
den Gebirgen, an den steinernen Wurzeln der Welt lebende Sorte, bestehen auch
selbst ganz oder zu großen Teilen aus Fels.
    Seine natürlichen mineralischen Instinkte ließen Theodor
vergleichsweise mühelos die optimale Kletterroute entlang der Wand finden.
    Er hatte sogar das Gefühl, als würde ihm der Berg selbst an der
einen oder anderen Stelle freundschaftlich unter die Arme greifen, was eine
seltsame Erfahrung ist, wenn man sonst weniger soziale Beziehungen mit
Abermillionen Tonnen von Gestein unterhält.
    Â» Okkos Angenehmer Aufstieg wird seinem
Namen wirklich gerecht«, sagte der Professor unbeschwert, langsam in die Höhe
schwebend. »Ein sehr empfehlenswerter Levitationszauber. Bedauerlich, dass er
nur bis zu einem Maximalgewicht von hundert Kilo funktioniert.«
    Â»Ja, höchst bedauerlich«, sagte Theodor, der weit mehr als hundert
Kilo schwere Steintroll.
    Â»Nur Mut. Es sind höchstens noch hundertzwanzig Meter. Und was
Santissimo, der Pilgernde Märtyrer geschafft hat, das schaffen Sie auch.«
    Â»Der ›Pilgernde Märtyrer ‹? Wie ist er
zu diesem Beinamen gekommen?«
    Â»Na gut«, gestand der Professor, »er hat es nicht bis ganz nachoben geschafft …«
    Schwieriger als das Erklimmen der Wand gestaltete sich die Rettung
des Unbesiegten Helden.
    Es ist ohnehin schon nicht leicht, jemanden auch auf dessen
ausdrücklichen Wunsch hin freikletternd in dreihundert Metern Höhe vor dem
Absturz zu bewahren. Wenn sich der betreffende Jemand aber auch noch nach
Kräften gegen die Rettung zur Wehr setzt, wird die Sache richtig
nervenaufreibend.
    Â»Komm schon«, sagte der Student, die Hand nach dem Helden
ausstreckend, »gib, ähm, dem Leben noch eine Chance …«
    Â»Führ Er … keine … Narrenspossen auf«, brachte der Held zwischen
zusammengebissenen Zähnen hervor. »Ich bedarf … keiner … Hilfe …«
    Zum Beweis dieser Behauptung zog er sich drei Zentimeter weiter nach
oben, verlor den Halt und stürzte ab.
    Im letzten Augenblick erwischte ihn Theodor am Kragen seiner
praktischen und – wie sich jetzt zeigte – ausgesprochen haltbaren langen
Unterwäsche.
    Â»Lass Er mich los, Pferdeknecht!«, schnaubte Eralkes, über dem
Abgrund baumelnd.
    Â»Oh ja, bitte, darf ich?«, fragte der Student, an den Dozenten
gewandt.
    Schließlich holte Professor Welk, der inzwischen oben angekommen
war, den Helden mit Okkos Angenehmem Aufstieg nach.
    Es war ein seltsamer Anblick, wie der Held vor Wut schäumend durch
die Luft schwebte, wild um sich schlug und dabei über Teuflische
Hexenmeisterzaubernetze und Aventürendiebe fluchte.
    Abgesehen davon bewies er kurz darauf, nachdem sie sich auf der
kleinen Felsterrasse oberhalb der Wand einigermaßen gesammelt hatten,
außerordentliches Talent darin, nicht nur vollkommen an der Wirklichkeit
vorbeizusehen, sondern diese sogar in ihrer genauen Umkehrung zu erleben, als
er, gönnerisch, Theodor und dem Professor mitteilte, es sei ja eben schon das
dritte Mal gewesen, dass er sie gerettet habe, zum ersten Mal vor den
Straßenräubern, das zweite Mal vor den Zyklopen, und jetzt schon wieder in der Senkrechten Wand des Todes .
    Theodor fehlte die Kraft, auf diesen Unsinn gebührend zu antworten.
Er lag auf dem Rücken und sah in den blauen Himmel. Nach dem
schwindelerregenden Aufstieg hatte er ein starkes Bedürfnis nach Bodennähe.
    Â»Die Aussicht!«, rief der Professor begeistert, an der Kante der
Terrasse stehend, »man kann bis zu den fernsten Ausläufern des Wolkengebirges
sehen!«
    Â»Im Moment habe ich kein Interesse an großen Entfernungen«, stellte
Theodor fest. »Nicht an waagerechten und insbesondere nicht an senkrechten.«
    Â»Dann dürfte die als Nächstes auf dem Programm stehende Aventüre
genau das Richtige für Sie sein«, sagte Professor Welk. »Sie sind doch nicht
klaustrophobisch veranlagt?«
    Theodor richtete sich auf.
    Â»Wieso?«, fragte er.
    Â 
    Â» …aber nach der Sänkrechten Want des Todes folgen
die Alptraumhaften Tunnel des Wahnsinns. Oh unnennbares Grausen in ewig
finsterer Nacht, oh schröckliches Bangen und Zähneklappern, Verzweyflen und
Verzagen …«
    (Die Verschollenen Chroniken, S. 579)
    Theodor starrte in das finstere Loch in der Bergwand.
    Â»Sagen Sie, dass wir da nicht rein müssen«, sagte er.
    Eine überaus unheilvolle