Fantastik AG
Wände heran.
Die Tapete zeigte einen flauschigen Hasen, der â wie Hasen
bekanntermaÃen zu tun pflegen â eine blaue Latzhose trug und überaus frohsinnig
verschiedenen typisch hasenspezifischen Aktivitäten nachging, wie z. B.
Ballspielen, Angeln oder Fliegen eines roten Doppeldeckers.
Schnuffel der Hase war vor langer Zeit Theodors erster Bester Freund
gewesen, und es ist eine rührende Tatsache in der langen Reihe von rührenden
Tatsachen, die sich Theodors Leben nannte, dass Schnuffel der Hase, das Motiv
einer Kindertapete war.
Diese Freundschaft war so intensiv gewesen, dass seine besorgten
Eltern eines Tages mit ihm zu einer sehr verständnisvoll blickenden Frau
gefahren waren, bei der sich Theodor auf eine rote Couch setzen musste,
woraufhin die Frau mit sanfter Stimme sagte: »So, Theodor, nun erzähl mir
doch einmal von deinem Freund Schnuffel. Wie ich höre, ist er ein Hase? Du magst Hasen, oder?«
Schmerzliche Erinnerungen regten sich in Theodors Herz, und nur mit
Mühe konnte er die Tränen zurückhalten.
»Wenn ihr nichts dagegen habt, verschwinde ich dann mal wieder«,
sagte der Wichtel unbeschwert. »Ihr kommt ja wohl auch ohne mich zurecht.«
»Warte!«, rief Mercedes. »Du hast uns noch nicht gesagt, wo der
Ausgang ist!«
»Woher soll ich das wissen? Das hier ist euer Labyrinth.
Wiedersehen also! Hat mich gefreut, mit euch zusammenzuarbeiten!«
Und der Wichtel verschwand.
Unglücklicherweise passierte das Gleiche auch mit der schwarzen
Fläche, die bisher die Spiegelwand eingenommen hatte, durch die sie in das
Potenzielle Labyrinth gesprungen waren.
An ihrer Stelle formte sich ein Torbogen.
Auf der anderen Seite, wenige Meter von ihnen entfernt, standen die
Ãberwacher.
»Lauf«, sagte Mercedes.
Sie rannten durch die verzweigten Korridore. Theodor
glaubte in seinem Rücken die eisig durchbohrenden Blicke der Ãberwacher zu
spüren.
»WeiÃt du, wo der Ausgang ist?«, rief er atemlos. »Ich bin
sicher, dass ich mir einen vorgestellt habe, aber ich weià nicht, wo!«
»Geht mir genauso!«, rief die Koboldin. »Aber ich ⦠duck
dich!«
»Was?«, fragte der Student verständnislos.
Eine Bodenplatte klickte unter
seinen FüÃen. Etwas schwirrte, und Theodor schaffte es gerade noch, seinen Kopf
einzuziehen und so der groÃen Klinge zu entgehen, die aus der Wand auf ihn
zuschwang und gleich wieder zurückschnappte.
»Was war das denn?«, keuchte er. »Hast du dir das
ausgedacht?«
»Ich schätze irgendwie schon, so wie du dir die Tapete, aber ⦠pass
auf!«
Sie zog ihn mit erstaunlicher Kraft zu sich heran und bewahrte ihn
so davor, von einem aus der Decke herunterschieÃenden Metallbolzen zerstampft
zu werden.
»Könntest du«, fragte der Student schwer atmend mit schwacher
Stimme, »mich das nächste Mal bitte etwas kurzfristiger warnen, wenn so etwas
bevorsteht?«
»Das Problem ist nur: Ich habe es selbst erst im letzten Moment
gewusst. Aber ich glaube, in diesem Korridor gibt es sonst keine Fallen mehr.
Komm.«
»Warte.«
Theodor blieb stehen und sah zurück. Die Ãberwacher näherten sich
der Stelle, an der sich die Klingenfalle befand.
»Mal sehen, wie ihnen die Fallen bekommen.«
Die Klinge fuhr aus der Wand und teilte mehrere Ãberwacher in der
Mitte durch.
»Ha! Hast
du das gesehen?«, rief der Student triumphierend.
»Es wird sie nicht aufhalten«, sagte Mercedes.
Auf dem Boden, dort wo die
Ãberwacher von der Klinge gefällt worden waren, verflüssigten sich die
schwarzen Körper, wurden zu quecksilbrigen Lachen, die in eins flossen. Die
Flüssigkeit brodelte, formte GliedmaÃen, Köpfe, Hände, Arme, grell leuchtende
Augen, aufgerissene Münder wie Tore zu eisiger Finsternis, und ein Ãberwacher
nach dem anderen entstieg unversehrt der schwarzen Lache.
»Ich habe doch gesagt: Es wird sie nicht aufhalten. Komm.«
Theodor riss sich von dem Anblick los und folgte der Koboldin.
Hinter sich hörte er drohend wispernde Stimmen, viele Stimmen, die sich zu
einer einzigen vereinten, sich gegenseitig in einem groÃen Chor auslöschten:
»Gib auf! Du kannst nicht entkommen! Du wirst
nicht entkommen!«
»Hör nicht auf sie!«, rief Mercedes. »Ich weià jetzt, wo der
Ausgang ist.«
»Widerstand ist zwecklos«, wisperten die
Stimmen. »Vernünftige
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