Fantastik AG
zu,
die ihm der Spiegel als Aufenthaltsort des Wichtels bezeichnete. Die Stelle war
absolut wichtelfrei.
Er sah wieder den Wichtel im Spiegel an.
»Ãhm«, sagte er, »bist du eine Art Stresssyndrom oder so?«
»Ich sehe ihn auch«, sagte Mercedes.
Ihrer Beute gewiss, bedrohlich wispernd, kamen die Ãberwacher
unaufhaltsam näher.
»Ich bin der Geist des Labyrinths!«, verkündete der Wichtel
freundlich.
»Ah, ach so«, sagte der Student. »Nett, dich kennenzulernen.
Schade, dass wir bedingt durch unser baldiges Ableben keine Gelegenheit zu
einem längeren Gespräch hatten.«
»Offenbar seid ihr derzeit noch beschäftigt. Ich hätte euch sonst
vorgeschlagen rüberzukommen.«
»Rüberkommen?«, fragte Mercedes. »Was meinst du damit?«
»Na ja«, antwortete der Wichtel. »Rüberkommen eben, auf die
andere Seite des Spiegels.«
Die Ãberwacher waren inzwischen so nah herangekommen, dass der
Student verstehen konnte, was ihre dünnen, wie Metall auf Eis kratzenden
Stimmen im Chor wisperten.
Widerstand ist zwecklos, wisperten sie. Ergebt euch der Notwendigkeit. Deviantes Verhalten wird nicht
toleriert.
Mercedes tastete den Spiegel ab.
»Aber wie kommt man auf die andere Seite? Das Glas ist doch nicht
durchlässig.«
»Ich spreche auch nicht von der anderen Seite des Glases. Ich spreche
von der anderen Seite des Spiegels.«
»Aber ⦠wie?«, fragte die Koboldin.
»Indem ⦠man ⦠auf ⦠die ⦠andere ⦠Seite ⦠geht«, erläuterte der
Wichtel, jedes Wort betonend, mit einem Gesichtsausdruck, der besagte: Meine
Güte, manchen Leuten muss man aber auch wirklich alles erklären.
»Zum Beispiel so?«, fragte Mercedes und sprang.
Plötzlich war sie verschwunden.
»Genau so. So einfach ist das«, lobte der Wichtel. »Kein Grund,
die Sache durch unnötige Grübeleien zu verkomplizieren.«
Theodor sah in den Spiegel. Mercedes stand jetzt neben dem Wichtel.
»Komm!«, rief sie. »Spring!«
Der Student nahm Anlauf. Dann hielt er inne.
»Moment mal«, wandte er ein, »ist das hier die
Art von Die-andere-Seite-des-Spiegels-Kitschgeschichte? Ich meine, wo
der Ãbergang zur anderen Seite bloà eine hübsche
Metapher dafür ist, dass ich in Wirklichkeit sterbe?«
»Mit Metaphern kenne ich mich nicht so gut aus«, sagte der
Wichtel. »Ich würde sagen, dein Ãbergang zur anderen Seite bedeutet, dass du
auf die andere Seite gehst.«
»Aber ⦠wie?«
Der Wichtel rollte mit den Augen, als wollte er sagen: Jetzt geht
das schon wieder los!
»Na ja, wie man eben auf die andere Seite geht«, erklärte er
geduldig.
»Es ist ganz
einfach«, rief Mercedes. »Komm einfach rüber.«
»Geht es etwas präziser?«
»Indem ⦠man ⦠auf ⦠die andere Seite ⦠geht«, wiederholte der
Wichtel noch einmal langsam.
»Ohne zu sterben?«
»Kann es sein, dass du ein etwas obsessives Verhältnis zum Tod
hast?«
Theodor trat einige Schritte von der Spiegelwand zurück.
Er schloss die Augen. Nahm Anlauf. Und sprang.
Als er die Augen wieder öffnete, sah er weiÃe
Gitterlinien, die sich auf schwarzem Grund bis ins Unendliche fortzusetzen
schienen.
Weder Spiegel noch Ãberwacher waren zu sehen.
»Ich habe es geschafft!«, jubelte Theodor, »allein durch die
Kraft meines Glaubens habe ich es geschafft!«
»Na ja«, sagte die Stimme des Wichtels hinter ihm, »wenn du
darauf bestehst â¦Â«
Der Student drehte sich um. In Augenhöhe schwebte der geflügelte
Wichtel, daneben stand Mercedes.
»Wo sind wir hier?«, fragte Theodor.
»Das hier ist das Potenzielle Labyrinth«, antwortete der Wichtel.
»Was? Ich sehe kein Labyrinth. Nur Flächen und Linien.«
»Ja«, sagte der Wichtel geduldig, »gut beobachtet. Deswegen heiÃt
es ja auch das Potenzielle Labyrinth und nicht das
Bereits Vorhandene Labyrinth.«
»Du meinst potenziell wie möglich ?«
»Ja. Ausgezeichnet. Du hast bereits ein Synonym gefunden. Weiter
so«, munterte ihn der Wichtel auf.
»Und du warst noch gleich �«, fragte Mercedes.
»Man nennt mich den Geist des Labyrinths .
Gibt es ein Problem?«, fragte er den Studenten, der ihn von der Seite
anstarrte.
»Nein, nein. Ich versuche nur, mich langsam an die Situation zu
gewöhnen. WeiÃt du, da wo
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