Fantasy. Aber ohne doofe Elfen
Mittelmeier zugeben. Nichts erinnerte daran, dass er sich
gerade vermutlich genau unter dem Haus seiner Nachbarin, Frau Wempel
befand – oder unter der Bushaltestelle gegenüber, der Plan war in
dieser Hinsicht etwas ungenau.
Mittelmeier setzte seinen Weg fort und grüßte
in einer Art Krypta freundlich die Skelette, die nur kurz von ihrem
Kartenspiel aufsahen: »Nabend, Männer. Ich schau mich mal um.« -
»Klarklacklickerklack.«
Die Nester der Riesenspinnen waren noch verwaist
– wegen ihrer undurchdringlichen Netze wurden sie erst morgen,
ganz zuletzt, ins Verlies gesetzt.
Noch eine Abzweigung, eine Treppe hinunter, durch
die offene Tür mit dem noch steckenden Geheimschlüssel ...
Er war am Ziel. Spürte, wie neue Macht ihn
durchströmte. Fühlte sich wie ein Politiker beim Wahlsieg –
erfolgreich durch geschicktes Ausnutzen der Situation.
Da lagen sie, die Schätze: Gold, Edelsteine und
Wunderschwerter. Daneben zwei Eimer mit kleinen, bunten Pillen. Das
mussten die Epees sein, von denen Umzwirbel gesprochen hatte.
Mittelmeier streckte die Hand aus. Die Epees sahen aus wie
Traubenzucker-Bonbons. Er probierte einen – er schmeckte
vorzüglich. Nach und nach stopfte er den Rest in sich hinein.
Als
beide Eimer leer waren, fühlte er sich wie ein Mensch zweiter Stufe
und spürte, wie seine Muskeln wuchsen.
Dann kam der für die Realität verantwortliche
Verwaltungsmitarbeiter aus dem Urlaub zurück und entfernte die
eingedrungenen Fremdspuren aus seinem Zuständigkeitsbereich –
Fußspuren von Zwergen auf dem Küchenfußboden, zwei oder drei
vergessene Rippen auf der Wohnzimmercouch und natürlich das Verlies
samt Spinnen, Skelette, Schätzen und einem läppischen Abenteurer
zweiter Stufe.
Schwein aus der Asche
Diese Geschichte ist schon etwas älter, sie stammt von 1999.
Bevor der Vampir-Hype so richtig Fahrt aufnahm, gab es noch einige
kleine Ungenauigkeiten bei den Ritualen zum zwecke der
Reinkarnation. Außerdem waren Vampire auf Grufti-Partys noch die
Ausnahme statt die Regel. Dafür wurde Sex schon damals groß
geschrieben, und das trotz Rechtschreibreform. Sehen Sie selbst ...
Graf Orthold Radieschen von Schrägl wanderte durch die einsamen
Straßen von Wuppertal und hoffte, in der nächsten Saison nicht
wieder wegen eines Pfahls im Wamst als Häufchen Staub zu enden. Die
gerade überstandene Reinkarnation aus 25 Gramm Asche und einem
halben Liter Blut hatte ihm üble Kopfschmerzen verursacht. Drei
schwarz angezogene Gestalten hatten ihren Herrn mit einem
überlieferten Rezept wiederbelebt. Was danach folgte, hatten sie
sich sicher etwas anders vorgestellt. Aber der Graf hatte nach 57
Jahren Dasein als Häufchen ziemlich trockener Asche
verständlicherweise fürchterlichen Durst.
Einige Drinks später stand Graf Orthold
Radieschen von Schrägl vor einem Busfahrplan und verglich die
abgedruckten Angaben mit der Armbanduhr, die ein gewisser Heilmar
Wringst im Moment nicht benötigte. Der letzte Nachtexpress war vor
zwei Minuten abgefahren, der nächste kam in 58 Minuten. Also machte
der Graf sich zu Fuß auf den Weg in die Stadt. Graf Ortholds Schuhe
waren bei seiner letzten Vernichtung nicht mit verbrannt, so dass
sie in der für die Reinkarnation verwendeten Asche nicht enthalten
gewesen waren. Um nicht auf Socken durch Wuppertal wandeln zu
müssen, hatte der Vampir sich die Fußbekleidung eines seiner
Heraufbeschwörer geborgt. Am besten hatten ihm die bunten Schuhe
mit den blinkenden Lämpchen im Absatz gefallen. Ferner waren deren
Sohlen so dick, dass sie frühestens in hundert Jahren durchgelaufen
sein würden. Für einen Vampir die ideale Fußbekleidung.
Nach einiger Zeit näherte sich der Graf einer
wummernden Lärmquelle. Es schien sich um ein Art Lokal zu handeln –
und der Lärm war anscheinend neumodische Musik. Radieschen von
Schrägl verzog das Gesicht geringschätzig. Während jeder seiner
Inkarnationen hatten die Menschen andere Musik gemocht, aber keine
hatte ihn mehr berührt als das Totenlied der armen Bäurin, der
gerade ein Bekannter Schrägls die letzte Kuh leergetrunken hatte.
Schrägl hatte die Bäurin anschließend mit in sein Reich genommen
und immerhin vierundneunzig romantische Jahre mit ihr verbracht, bis
sie sich in einen eher versehentlich ausgesaugten Buchhalter
verknallt hatte.
Auch Vampire haben übrigens einen Stoffwechsel,
und der Graf sah sich schon einmal vorsorglich nach einem Ort um, wo
er dessen Endprodukte loswerden konnte.
Drei erstaunlich wenig
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