Farben der Liebe
in letzter Zeit nicht mehr prickelnd, jede Spannung fehlte. Ein Problem, das ganz sicher nicht an seinem stressigen Uni-Alltag lag, sondern eher an den immer gleichen Abenden. Und wurde es dann doch mal spannend, endete es oft genug in lauten Worten, knallenden Türen und nächtelanges Deckenanstarren, nur um am nächsten Morgen wieder festzustellen, dass sich nichts und niemand verändert hatte.
Irgendwie zweifelte Manuel auch daran, dass dieser Abend heute eine Änderung bringen würde, aber in diesem Punkt hatte Tobi Recht, auch wenn er selbst es nur ungern zugab. Es war Zeit für eine Veränderung, eine Erneuerung. Auch wenn es sich dämlich und idiotisch anfühlte, einen Versuch war es wert.
Hastig und mit unsicherem Blick schaute er sich ein Mal um, bevor er wieder versuchte, das Fahrradschloss zu bezwingen. Doch seine zitternden Finger machten es beinahe unmöglich, dieses Vorhaben erfolgreich umzusetzen. Nach einer gefühlten Ewigkeit, die tatsächlich aber nur wenige Augenblicke dauerte, hatte er es endlich geschafft und sein geliebtes Bike vor dem gesteigerten Interesse möglicher Diebe gesichert. Trotzdem ging es ihm kein bisschen besser. Sein Puls raste, sein Atem stolperte und die kleinen, nervösen Bewegungen seiner Finger wollten sich partout nicht stoppen lassen.
Lange und mit stolperndem Herzen betrachtete er seine Hände, die sich noch immer an das Kabelschloss klammerten. Krampfhaft versuchte der junge Mann, sich zu beruhigen, aber das wollte ihm nicht so richtig gelingen.
Das alles hier, die ganze Aktion, war so untypisch für ihn, so unwirklich und dermaßen idiotisch, dass ihm kein passender Vergleich einfiel. Mit jeder Sekunde, die verging, kam es ihm dämlicher vor, dass er sich überhaupt darauf eingelassen hatte.
Manuel schloss kurz seine Lider, atmete tief ein und versuchte sich zu beruhigen. Als er endlich das Gefühl hatte, dass sein Puls nicht mehr in Überschallgeschwindigkeit durch seinen Körper raste, öffnete er langsam seine Augen und ließ ebenso bedächtig die angesammelte Luft aus seinen Lungen entweichen. Er fühlte sich zwar kein Stück ruhiger, aber sein Puls raste wenigstens nicht mehr und das flaue Gefühl in seiner Magengegend hatte auch etwas nachgelassen. Eigentlich hatte es nicht wirklich nachgelassen, sondern war vielmehr einer kleinen, vorsichtigen Vorfreude gewichen. Aber es war noch zu nah am nervösen Rumoren dran und der Übergang zu fließend, als dass Manuel den Unterschied hätte benennen können.
Warum er sich gerade anstellte wie eine unberührte Unschuld, die auf dem Weg zum Schafott war, konnte er beim besten Willen nicht sagen. Immerhin war er Mitte Zwanzig, lebte sein chaotisch-organisiertes Studentenleben, war schon seit einigen Jahren sexuell aktiv und konnte somit zumindest erahnen, was ihn hier erwarten könnte.
Aber wie schon gesagt, er war eben eigentlich nicht der Typ für derartige Aktionen. Blind Dates waren noch nie sein Fall gewesen, er hatte Überraschungsabende wie diesen hier stets strikt abgelehnt. Nicht, dass er ein spaßresistenter Stubenhocker war, er feierte sehr gerne bei dem einen oder anderen Bierchen und genoss das Leben. Aber er behielt einfach gerne den Überblick, wollte wissen, woran er war, um Unannehmlichkeiten jedweder Art aus dem Weg gehen zu können. Warum das so war, wusste er selbst nicht, es war einfach so.
Und das hier war auch nicht seine eigene Idee gewesen, Gott bewahre. Niemals wäre er selbst auf den Gedanken gekommen, ein wenig zu flirten und sich zu einem nächtlichen Treffen am See zu verabreden. Das war Tobis Idee gewesen. Er hatte Manuel überredet, sich auf dieses Mondscheindate einzulassen, auch wenn heute Neumond war. Es hatte einen ganzen Abend anhaltende zuckersüße Überredungsversuche und mehr als 2 Bier gebraucht, bis der andere ihn davon überzeugt hatte, dies als Chance zu sehen.
Und er hatte ihn zu diesem Date hier gedrängt. Ja, gedrängt traf es wirklich ganz gut. Aus eigenem Antrieb und ohne den Anruf vor einer Stunde wäre er jetzt wohl nicht hier.
Tobi ...
Hastig fuhr sich der Student mit der Hand durch die Stirnlocken, verwüstete die ohnehin nicht mehr vorhandene Frisur noch ein wenig mehr. Der Letzte, an den er jetzt denken wollte, durfte und sollte, war Tobi.
Ein letztes Mal schaute er über den Platz. Bis auf sein Bike herrschte gähnende, von der Straßenlaterne nur schwach erleuchtete Leere. Ein merkwürdig beruhigender Umstand, wenn man bedachte, dass das Strandbad oft
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