Farben der Liebe
genug Veranstaltungsort geheimer Partys irgendwelcher Oberstufenschüler war. Die waren anscheinend noch in den Ferien und feierten auf Ibiza. Oder es war ihnen schlicht zu kühl. Andererseits hätte er ein anderes Fahrrad wohl eher als Aufforderung gesehen, endlich abzuhauen. Doch so wandte er sich endgültig dem Zaun zu und suchte nach dem kleinen Loch im Metallgeflecht. In der Dunkelheit der Nacht war das gar nicht so einfach, der fahle Lichtkegel der Laterne reichte leider nicht bis ins Gebüsch.
Hinter dem dicken Stamm der alten Kastanie, verdeckt von einigen Büschen ertastet Manuel schließlich die Öffnung. Vorsichtig beäugte er das Loch. Wenigstens waren die Drahtspitzen abgeknickt, sodass er mit etwas Glück weder sein Hemd noch seine Haut an den scharfen, spitzen Enden aufschlitzte. Kurz drehte sich der Student noch einmal um und scannte die Umgebung nach möglichen Beobachtern ab. Wieder huschte der Gedanke an Flucht durch seinen Kopf, wurde aber durch die inzwischen immer stärker werdende Neugier zurückgedrängt. Ein kurzes Lächeln krabbelte über seine Lippen, dann machte sich der junge Mann daran, seinen Körper durch die Lücke im Zaun zu zwängen.
Den Weg hinunter zum Gewässerrand kannte er gut genug, als dass er großartig auf seine Schritte achten musste. Zu seiner Schulzeit war Manuel quasi Stammgast am Strandbad gewesen, sobald es das Wetter auch nur ansatzweise zugelassen hatte. Inzwischen fehlte ihm neben Studium, Nebenjob und Privatleben leider die Zeit für ausgiebige Strandtage. Ein Umstand, den er dringend wieder ändern musste! Aber nichts, über was er jetzt eingehender nachdenken sollte. Eigentlich war jetzt sowieso Zeit, das Nachdenken ganz einzustellen. Etwas, das ihm immer sehr schwer viel.
Mit jedem Schritt, den er dem Wasser und somit dem Treffpunkt mit seinem Date näher kam, kletterte seine Nervosität höher. Sein Herz klopfte laut und deutlich in seiner Brust. Am Rand der Wiese blieb er stehen, halb hinter dem dicken Baumstamm einer alten Kastanie verborgen, und blickte in Richtung des Ufers. Die mondlose Nacht ließ ihn nur vage Schemen erkennen. Aber er brauchte auch gar nicht viel zu sehen, er wusste es auch so.
Dort unten lag etwas Großes, Flaches auf dem Steg, der ins Wasser führte. Eine Decke wahrscheinlich. Eine Gestalt stand am Rand dieses hölzernen Podestes, ihr Umriss hob sich dunkel vor dem Wasser ab. Schmale Silhouette, groß gewachsen, ruhige Ausstrahlung, ein einmalig schöner Anblick, der zum Genießen einlud.
Wie lange er sich hinter dem Baum verbarg und die Szene dort unten beobachtete, konnte der Student nicht sagen, er hatte jedes Zeitgefühl verloren. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht, während seine Augen die Gestalt nicht aus den Augen ließ. Sein Herz klopfte immer noch nervös in seiner Brust, Vorfreude und Aufregung jagten durch seinen Körper. Alle Zweifel, die ihn auf seinem Weg hier her begleitet hatten, waren inzwischen verschwunden, zurückgeblieben war nur diese wohlige, kribbelige Spannung, fast schon Ungeduld, die seine Finger gegen den Stamm klopfen ließ.
In der leisen Hoffnung, sich etwas beruhigen zu können, sog Manuel die angenehm kühle Nachtluft tief in seine Lunge, schloss wenige Sekunden seine Augen mit dem Wissen, dass sich der Anblick am Wasserrand ohnehin nicht ändern würde. Er gab sich dem wunderweichen Kribbeln in seiner Brust hin, spürte dem Bitzeln in seinen Fingerspitzen nach. Es fühlte sich herrlich und seltsam vertraut an. Und doch war da nervös-flirrige Aufregung, wenn man nicht wusste, was einen erwartete, wenn man etwas Neues oder jemand Neues kennen lernte.
Dann stieß er sich von dem sicheren, Halt gebenden Holz ab, straffte seine Schultern und lief die letzten Schritte durchs Gras. Am Rand des schmalen Sandstrandes blieb er kurz stehen, zog sich die Schuhe und Socken von den Füßen, ließ beides im Gras liegen. Die feinen, warmen Körnchen kitzelten unter seinen Fußsohlen.
Die Gestalt am Wasser hatte ihn inzwischen bemerkt und sich zu ihm umgedreht. Mehr als ein Umriss war bei der Entfernung und der Neumondnacht dennoch nicht zu erkennen. Die wenigen Sterne am Nachthimmel spiegelten sich im Wasser, tanzten auf den kleinen Wellen und versuchten Manuels Blick abzulenken. Doch der war fest auf sein Date gerichtet.
Fast hätte es Manuel ein lautes Lachen entlockt, dass der Kerl sich keinen Schritt auf ihn zubewegte, sondern einfach abwartete und ihn beobachtete. Eine Starrköpfigkeit, die ihm
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