Farben der Schuld
ist, werde ich mit Fabi reden. Und dann werden wir weitersehen.
***
Die Entlassung aus der Klinik ist Judith Krieger eindeutig nicht gut bekommen. Sie raucht wieder, ist leichenblass und hypernervös. Weit davon entfernt, bald wieder ins KK11 zurückzukehren, auch wenn sie selbst das offenbar anders sieht. Manni manövriert den Dienstwagen in eine mikroskopische Parklücke. Kurz nach 20 Uhr. Er läuft los, Richtung Petersberger Straße, wo Ralf Meuser versprochen hat, auf ihn zu warten. Sieht so aus, als könne jemand unser Opfer identifizieren, hat er am Telefon gesagt. Sieht so aus, als hättest du recht. Manni zerbeißt ein Fisherman's, um den Knoblauchgeschmack loszuwerden, während er versucht, an den dunklen Fassaden die Hausnummern zu erkennen. Die Wohnlage hier im Stadtteil Klettenberg ist auf jeden Fall erste Sahne. Die topsanierten, mehrgeschossigen Altbauhäuser mit den gepflegten Vorgärten verbreiten das in Köln rare Großbürgerflair. Sogar ein paar Bäume behaupten sich zwischen den dicht parkenden Autos.
»Hier ist es.« Meuser tritt hinter einem Baum hervor und zeigt auf ein hell getünchtes Haus.
»Und die Beschreibung passt?«
Statt ihm zu antworten, hält ihm sein Kollege ein Foto hin. Manni studiert es im Lichtkegel einer Straßenlaterne, überfliegt die Vermisstenanzeige, auf der es heftet.
»Ich hab noch was herausgefunden, das interessant sein könnte«, sagt Meuser, als Manni fertig ist.
»Nämlich?«
»Die Gebeine des heiligen Albanus wurden angeblich in Sankt Pantaleon begraben. Er ist enthauptet worden.«
»Nett.«
»Mit einem Schwert. Die Skulptur auf der Empore dürfte übrigens wirklich der heilige Michael sein.«
Manni öffnet das Gartentor und drückt auf die Klingel fürs Erdgeschoss.
Sie müssen nicht lange warten, kaum ist der Klingelton im Haus verhallt, wird schon der Türsummer betätigt und im Inneren des gepflegten Eingangsbereichs öffnet sich eine Wohnungstür.
»Sie kommen wegen meines Mannes?« Die Sprecherin ist eine Frau um die fünfzig. Attraktiv, schlank, modisch gekleidet, leicht gebräunt mit sportlicher Kurzhaarfrisur und randloser Brille, die ihre zarten Gesichtszüge hervorragend zur Geltung bringt.
Sie stellt sich ihnen als Doktor Nora Weiß vor, nachdem sie ihre Dienstausweise gezeigt haben, und führt sie in eine großzügige Wohnküche. An der Stirnseite des Raumes öffnet sich eine zweiflügelige Glastür zu einem Garten, dessen Existenz von der Straßenseite nicht zu vermuten ist. Auf dem Boden ist schimmerndes Eichenparkett verlegt, die Küchenzeile ist modern und sicher sehr teuer, in der Mitte des Raums steht ein bestimmt 2,50 Meter langer antiker Holztisch, um den sich Designerstühle gruppieren.
Nora Weiß macht eine einladende Geste, holt Mineralwasser und Gläser, setzt sich dann selbst. An ihrem linken Ringfinger funkelt ein schlichter mattgoldener Ehering.
»Ich bin froh, dass die Polizei so schnell auf meine Anzeige reagiert«, sagt sie. »Damit habe ich, ehrlich gesagt, gar nicht gerechnet.«
Zu Mannis Überraschung sind die Designerstühle sogar bequem. Er betrachtet Nora Weiß, die nun Mineralwasser einschenkt. Sie lügt, denkt er. Sie ist nicht froh uns zu sehen, denn sie ahnt bereits, dass wir schlechte Nachrichten bringen. Ich hasse das, denkt er völlig unvermittelt. Mitten in ein fremdes Leben hereinplatzen und nichts als Unheil verkünden müssen, für das jemand anderes verantwortlich ist.
»Sie vermissen Ihren Mann«, eröffnet er das Gespräch.
»Ich bin heute Nachmittag von Fuerteventura zurückgekommen.« Nora Weiß fegt ein unsichtbares Stäubchen vom Tisch, tastet dann nach ihrer Brille, an deren Sitz es absolut nichts zu korrigieren gibt. Auf einmal entdeckt Manni ein postergroßes, poppig gerahmtes Familienfoto an der Wand. Vater, Mutter und zwei erwachsene Töchter. Glücklich. Lachend. Alles okay hier, bis auf die Tatsache, dass eine dieser vier Personen nun wohl tot in der Rechtsmedizin liegt.
»Ich mag Karneval nicht, da mache ich meine Praxis immer zu und gönne mir was«, sagt Nora Weiß.
»Und Ihr Mann bleibt hier.«
»Er musste arbeiten. Ich habe meine älteste Tochter in ein Wellnesshotel eingeladen.«
»Wo ist Ihre Tochter jetzt?«, schaltet sich Ralf Meuser ein.
»Wieder in München, wo sie studiert. Wir haben von Fuerteventura aus verschiedene Flüge genommen – wieso fragen Sie?«
Weil jetzt gleich jemand deine Hand halten sollte, denkt Manni, aber das sagt er natürlich nicht, genauso wenig
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