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Farben der Schuld

Farben der Schuld

Titel: Farben der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Klönne
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Seraphim
jagen ihr wie immer einen Schauer über den Rücken. Fabian hat ihre Stereoanlage eingeschaltet, die Kerzen des zwölfarmigen Leuchters entzündet und Bats Bettdecken auf der Matratze zu einem Rückenpolster zusammengeschoben. Sie legt die Ausbeute ihrer Kücheninspektion vor ihn auf den Teppich.
    »Ich bring heut nichts runter«, sagt er, ohne den Blick von den Kerzen zu wenden.
    »Warst du auf dem Friedhof?«
    »Janas ganze Family ist da aufgelaufen, mit einem Popen.«
    Keine Chance also für Fabian, allein mit seiner toten Freundin zu sein. Nicht ein einziges mitfühlendes Wort hat irgendjemand aus Janas Familie jemals zu ihm gesagt. Ein Malerlehrling war ihrer Meinung nach kein passender Umgang für ihre kostbare Tochter, und dass diese Tochter selbst das anders sah, hatte niemanden interessiert, auch nicht, nachdem sie von einem Zug überrollt worden war. Bat schubst ihren Rucksack in eine Zimmerecke und sammelt die leeren Bacardi-Breezer- Flaschen zusammen. Auf einmal kann sie Fabian nicht in die Augen sehen. Wie eine Verräterin fühlt sie sich, weil auch sie ohne ihn mit Jana gefeiert hat, so wie Jana und sie es einst verabredet hatten. Aber vielleicht würde Jana das heute gar nicht mehr wollen?
    Im Terrarium klettert Bats Chamäleon auf einen höheren Ast, betrachtet Bat mit kreisrunden Augen. Penthesilea, die Stoische, Starke. Königin der Amazonen, Meisterin der Verwandlung. Bat tupft mit dem Zeigefinger ans Glas, bemerkt erst jetzt den gelben Merkzettel von ihrer Mutter an der Seitenwand.
    PUTZEN UM 19 UHR! PÜNKTLICH SEIN!!!
    Mist, verdammter, warum hat sie das vergessen?
    »Komm, stoßen wir an. Auf Jana.« Fabian hält ihr ein Sektglas hin, und der Schmerz in seinem Gesicht, zusammen mit den Orgelklängen und dem sphärischen Gesang von Dead Can Dance treiben Bat die Tränen in die Augen. Sie setzt sich neben ihn auf die Matratze, leert ihr Glas in einem Zug.
    »Sie hat dich geliebt, Fabi. Du hast sie geliebt. Sie würde nicht wollen, dass du dir Vorwürfe machst.«
    Er schenkt ihr nach, sieht Bat zum ersten Mal in die Augen. »Vielleicht hast du recht. Gehen wir in den Club. Für sie.«
    »Ich kann nicht. Ich muss erst noch putzen gehen. Meine Mutter killt mich, wenn ich nicht bald erscheine.«
    Mutter – ein schlechtes Thema, weil es an Fabians eigene Mutter erinnert, die vor einem halben Jahr an Krebs gestorben ist. Bat trinkt einen Schluck Sekt, verflucht sich für ihre Unachtsamkeit, aber Fabian scheint ihr nicht böse zu sein.
    »Rettet sie wieder Seelen?«
    »Vorhin kam im Radio, dass ein Priester ermordet worden ist. Ich hab zum Spaß gesagt, dass es ja vielleicht ihr heiliger Hartmut wäre.«
    Ein winziges Lächeln zuckt in Fabians Mundwinkeln. »Und?«
    »Sie ist fast in Ohnmacht gekippt, so wie wenn Pentis Heuschrecken ausbüxen.«
    Sie hat zu schnell getrunken, fühlt schon den Alkohol. Hastig greift sie nach dem Pumpernickel, schlingt eine dick mit Wurst belegte Scheibe herunter. Der Ketchup läuft ihr übers Kinn. Sie fährt mit dem Finger drüber, leckt ihn ab.
    »Willst du wirklich nichts?«, fragt sie Fabian und greift nach der nächsten Scheibe. Er ist der Einzige, vor dem sie ihre Fressattacken nicht zu verstecken braucht, doch heute ist ihr seine Anwesenheit trotzdem ein wenig peinlich.
    »Kein Hunger.« Er leert sein Sektglas, guckt wieder ins Leere. »Wann gehen wir?«
    »Ich komm nach, Fabi, ich beeil mich.«
    Jetzt sieht Fabian noch ein bisschen trauriger aus, und Bat fürchtet, er würde mit ihr zu streiten beginnen, ihr Vorwürfe machen, dass sie an Janas Geburtstag nicht freinimmt, oder – am allerschlimmsten – weinen, aber dann trinkt er einfach nur den letzten Rest Sekt aus der Flasche und sie verabreden sich für später.
    Vielleicht wird Lars heute auch im Lunaclub sein, überlegt Bat, als sie kurze Zeit später zur Telefonseelsorge eilt. Vielleicht finde ich ausgerechnet an Janas 18. Geburtstag eine Spur ihres Mörders.
    Und wenn sie sich irrt, wenn der Typ von neulich gar nicht Janas Lars ist? Oder wenn rauskommt, dass er sie doch nicht ermordet hat? Ich muss aufpassen, ermahnt sie sich stumm. Ich muss diesen Typ erst mal abchecken, ihn beobachten, aus der Distanz. Das ist sicher leicht, denn er wird sich sowieso nicht an mich erinnern. Und auch niemand sonst wird etwas bemerken. Absolut niemand, weil sich ja eh niemand für die Wahrheit interessiert, nicht einmal Fabi, der immer nur traurig ist. Erst wenn ich absolut sicher bin, dass Lars Janas Mörder

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