Farben der Schuld
Lars zu schwärmen. Immer blasser und stiller ist sie geworden, aber sie wollte nicht drüber reden und Bat hatte sie in Ruhe gelassen, weil sie nicht schon wieder mit Jana streiten wollte und weil sie sicher war, dass diese Phase nun schnell vorbeigehen würde, genau wie die ganze Geschichte mit Lars. Du hast Jana ausgenutzt, du hast sie begrapscht und betatscht und weil sie das nicht wollte, hast du sie vor den Zug gestoßen, hat sie Lars ins Gesicht gebrüllt. Aber der Typ ist aalglatt. Komm, hau ab, Kleine, du hast ja 'n Knall, hat er gesagt und in seinem Kofferraum rumgewühlt.
Bat zerrt den Staubsauger über den Flur der Telefonseelsorge zur Abstellkammer und befördert ihn mit einem gezielten Fußtritt an seinen Platz unter dem Regal. Und dann, was war dann? Wie ist das mit Lars an dem Abend dann weitergegangen? Sie kriegt das nicht mehr zusammen, kann sich nicht erinnern. Ihr Kopf funktioniert nicht mehr, alles, was sie noch weiß, ist, dass ihr auf einmal hundeübel war, dass sie zu Hause war und dass ihre Mutter sich um sie gekümmert hat. Dabei hatte sie gar nicht getrunken, bevor ihr so schlecht wurde, sie hatte sich wirklich nicht besoffen, sie könnte schwören, dass das stimmt. Wieso kann sie sich dann nicht richtig erinnern? Und wieso weiß sie nicht mal mehr, wie und wann und warum sie heimgekommen ist, und warum war sie überhaupt zu Hause und nicht bei Fabian?
Egal. Es bringt nichts, darüber noch länger nachzudenken. Sie geht ins WC, füllt frisches Wasser in einen Eimer und gibt reichlich Putzmittel dazu, damit auch morgen früh alle in der Telefonseelsorge riechen können, wie fleißig sie war. Jetzt muss sie noch die Teeküche wischen und dann hat sie es für heute geschafft, dann kann sie ihren Plan umsetzen, für den sie vorhin bereits die Digitalkamera ihrer Mutter eingesteckt hat, die die sowieso fast nie benutzt. Es kann eigentlich überhaupt nichts schiefgehen, sie hat alles genau durchdacht, und Jana hätte bestimmt auch dasselbe für sie getan, trotzdem hat sie nun, da es fast so weit ist, ein bisschen Schiss.
Bat schleppt den Eimer in die Küche, nascht die letzten Kekse aus der Schale auf dem Tisch und verfrachtet ein paar benutzte Tassen und Gläser in die Spülmaschine. Zum Glück ist Röttgen nicht mehr hier, der ihr ständig hinterherspionierte und nie zufrieden war, egal, wie viel Mühe sie sich gab. Sie schleicht zum Flur, vergewissert sich, dass der Mitarbeiter, der heute Nachtdienst hat, auch wirklich am Beratungstelefon sitzt, bevor sie sich ein paar Euromünzen Trinkgeld aus der Kaffeekasse mopst und den Wischmopp in den Eimer taucht.
Nach nur fünf Minuten ist sie schon fertig. Sie räumt die Putzsachen weg, geht aufs Klo und betrachtet sich im Spiegel. Für ihren Plan ist es natürlich vollkommen egal, wie sie aussieht, denn Lars wird sie diesmal gar nicht zu Gesicht kriegen. Aber sie fühlt sich gut mit dem Lacklederrock und dem geschnürten Samtoberteil, bei dessen Anblick ihre Mutter immer Zustände kriegt, sie fühlt sich stark, und Fabi, bei dem sie auf dem Weg in die Telefonseelsorge noch kurz vorbeischaute, hat sogar durch die Zähne gepfiffen. Bat schwärzt sich die Lippen nach. Sie hat sich bei Fabi über den Kommissar ausgeweint, der sie am Morgen auf dem Friedhof genervt hat. Haarklein hat sie Fabi alles über die Fragerei nach Priester Röttgen und Jana erzählt und natürlich auch von dem scheißpseudofreundlichen Gesülze von Warnholz. Beinahe hätte sie sich verplappert und Fabi auch noch in ihren Plan eingeweiht, erst im allerletzten Moment hat sie sich beherrscht.
Bat wirft noch einen letzten prüfenden Blick in den Spiegel.
Wenn sie die Kohle zusammenhat, wird sie sich ein Tattoo am Hals oder im Dekolleté stechen lassen. Eine Fledermaus mit weit ausgebreiteten Flügeln, auch wenn ihre Mutter vor Entsetzen darüber in Ohnmacht kippen wird. Aber das ist Zukunftsmusik, jetzt geht es darum, Janas Mörder zu überführen. Sie öffnet die WC-Türe und prallt beinahe mit Hartmut Warnholz zusammen. Mist, verdammter. Sie hatte gedacht, der wäre schon längst gegangen, doch stattdessen hat er offenbar auf sie gewartet.
»Beatrice, hallo, danke fürs Saubermachen.«
Er gibt ihr die 20 Euro fürs Putzen, versucht sie in ein Gespräch zu verwickeln. Wie es ihr denn ginge, ob sie nicht doch mal in Ruhe mit ihm reden wolle, es gäbe auch Jugendgruppen für junge Menschen mit Drogen-und Alkoholproblemen, ihre Mutter mache sich solche Sorgen und ob Bat sich
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