Farben der Schuld
darüber bewusst sei, dass eine Falschaussage bei der Polizei eine Straftat sei, denn Georg Röttgen sei zwar ein strenger Chef gewesen, aber sicherlich habe er Bat doch niemals unsittlich berührt. Blablabla. Alle reden an ihr rum. Sie hat es so satt. Sie drängt sich zur Garderobe und zieht ihren Ledermantel über. Kamera, Messer und Tränengasspray sind noch da, das ist gut.
»Beatrice, hallo, redest du nicht mehr mit mir?«
Sie legt den Kopf schief und sieht den Seelsorger an.
»Ich könnte der Polizei ja mal erzählen, dass Sie hinter meiner Mutter her sind.«
»Beatrice, nein, das siehst du völlig falsch, Ruth und ich …«
»Und dass ich Sie nachts bei der Pantaleon-Kirche gesehen hab.«
Das macht ihn sprachlos. Das gibt ihr die Chance, ohne eine Fortsetzung seiner Predigt zu verschwinden. Sie rennt die Treppen hinunter, hört ihn hinter sich herrufen. Aber das ist nicht ihr Problem, sie wird schließlich fürs Putzen und nicht fürs Quatschen bezahlt und bloß weil der heilige Hartmut geil auf ihre Mutter ist, gibt ihm das noch längst nicht das Recht, sich wie ein Ersatzpapa aufzuführen.
Unten auf der Straße klemmt sie sich eine halb gerauchte Kippe zwischen die Lippen, zündet sie an und läuft Richtung Friesenplatz. Zwei-, dreimal schaut sie noch über ihre Schulter, ob Warnholz ihr folgt, aber bald ist ihr Vorsprung sowieso zu groß und am Friesenplatz erwischt sie direkt eine U-Bahn. Vielleicht sollte sie der Polizei wirklich von Warnholz und ihrer Mutter erzählen, oder zumindest von ihren Beobachtungen an Sankt Pantaleon, aber irgendwie bringt sie das nicht, denn auch wenn ihre Mutter oft nervt, ist sie doch ihre Mutter und gestern, als es ihr so dreckig ging, hat sie Bats Hand gehalten und überhaupt nicht gemeckert, zumindest glaubt Bat sich daran zu erinnern, dass es so war.
In Ehrenfeld steigt sie aus und läuft die letzte Strecke zu Lars' Studio zu Fuß. Seine Fenster sind erleuchtet und sein BMW parkt unten im Hof, gut. Sie mustert das verlassene Gebäude, das sich wie ein dunkler, klobiger Schatten gegenüber dem Studiotrakt erhebt und fügt Lars' Protzkarre ein paar ordentliche Kratzer zu. Sie muss in das Abbruchhaus rein, das ist der schwerste Teil ihres Plans. Auf einmal schlägt ihr das Herz bis zum Hals, doch zugleich wird etwas in ihr ganz kalt. Lars hat sie ausgelacht, er hat sie nicht für voll genommen. Aber er hat sich getäuscht, das wird sie ihm beweisen.
Bat geht zum ersten Fenster des Abbruchhauses, rüttelt daran, tastet sich dann an der Backsteinwand weiter. Vielleicht kommt sie gar nicht rein oder es sind besoffene Penner da drinnen, die sie gleich wieder verjagen. Sie stolpert über etwas, es scheppert höllisch. Kommt da jemand, hört sie da Schritte? Nein. Alles bleibt still. Das nächste Fenster, das sie findet, ist ebenfalls fest verschlossen, eine Tür ist mit Stahlplatten gesichert, aber im nächsten Fenster klemmt nur ein loses Brett, das sie zur Seite drücken kann. Sie stemmt sich hoch, springt drinnen auf den Boden und umklammert ihr Reizgasspray. Ihr Herz rast noch schneller, doch sie ist wohl allein hier drin. Kein Laut ist zu hören.
Vorsichtig tastet sie sich weiter vor. Im Nebenraum riecht es nach Pisse und Kacke und Müll, zwei Zimmer weiter erkennt sie Plastiktüten und die Umrisse eines Matratzenlagers. Aber sie sind verwaist und am Ende des Flurs ist eine Treppe, genau wie sie es gehofft hat. Stufe um Stufe schleicht Bat nach oben, bis sie im zweiten Stock endlich in einem Zimmer steht, von dem sie tatsächlich genau in Lars' Studio gucken kann.
Es zieht hier oben, denn jemand hat die Fensterscheiben zerschlagen. Doch das ist ihr egal, weil das, was dort gegenüber passiert, sie sofort in den Bann zieht. Lars fläzt auf einem Sofa und vor ihm auf einem Hocker sitzt ein Mädchen mit einer Gitarre und singt. Genau so hat Jana ihr das beschrieben. Aber dieses Mädchen ist nicht Jana, dieses Mädchen ist irgendeine fremde, gelackte Tussi mit superkurzem Rock und affigen blonden Locken, und wahrscheinlich kann sie längst nicht so schön singen wie Jana und das scheint Lars auch zu finden, denn er hebt die Hand und sagt was und das Mädel auf dem Hocker hört auf zu singen und guckt, als ob sie gleich losheult. Erst schüttelt Lars den Kopf, aber dann zieht er die Blonde auf seinen Schoß und fummelt an ihr rum, das blöde Schwein, genau so hat er es bestimmt auch mit Jana gemacht. Die Kamera, verdammt, genau das wollte sie doch fotografieren! Hastig
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