Farben der Sehnsucht
einen Haftbefehl.«
Cagle war ebenfalls aufgesprungen und hatte seine Jacke schon übergezogen. »Wo haben sie sie entdeckt?«
»Du wirst es nicht glauben, wie bescheuert das Mädchen ist«, erwiderte Flynn kopfschüttelnd. »Sie hat sie unter ihre Matratze gestopft. Als ob wir nicht auf die Idee kommen würden, dort zu suchen.«
42
Sloan saß mit Paris im Speisezimmer und versuchte gerade, einen ausführlichen Bericht über die Ereignisse des Vorabends zu erstellen, wenngleich ihr dies wie eine absurde Zeitvergeudung vorkam. Paris war indessen mit dem Entgegennehmen der zahllosen entsetzten Anrufe von Freunden und Verwandten der Familie beschäftigt. Draußen im Gang stand Lieutenant Fineman und sprach leise mit einem seiner Mitarbeiter. Als es am Vordereingang klingelte und Nordstrom sich auf den Weg zur Tür machte, sah Sloan hoch. Einen Moment später erschienen die Detectives Cagle und Flynn schon mit eiligen Schritten im Speisezimmer und bauten sich bedrohlich vor ihr auf.
Als Sloan den kalten, entschlossenen Ausdruck auf ihren Gesichtern sah, wußte sie sofort, warum sie gekommen waren, und ließ ihren Stift aus den Fingern gleiten.
»Sloan Reynolds«, sagte Flynn, indem er sie von ihrem Stuhl hochzog und sie mit dem Gesicht zur Wand drehte. »Wir haben Grund zur Annahme, daß Sie des Mordes an Edith Reynolds schuldig sind.« Er bog ihr die Arme auf den Rücken und legte ihr Handschellen an. »Sie haben das Recht, die Aussage zu verweigern...«
»Nein!« schrie Paris, die vor Schreck ihre Hände ineinander verkrampft hatte und leicht schwankte, als sei sie im Begriff, ohnmächtig zu werden. »Nein...«
»Es handelt sich um einen Irrtum«, konnte ihr Sloan nur noch über die Schulter hinweg versichern, während die beiden Beamten sie schnell hinausführten. »Es ist alles ein Irrtum. Alles wird wieder in Ordnung kommen.«
Draußen wurde sie ohne weitere Erklärungen auf den Rücksitz des bereits mit laufendem Motor wartenden Streifenwagens geschoben, während Cagle und Flynn vorne Platz nahmen und losfuhren. Auf der Straße hatten noch in der Nacht zahllose Pressereporter ihr Lager aufgeschlagen, die in helle Aufregung gerieten, als sie entdeckten, daß jemand aus dem Haus geführt wurde. Nur mit Mühe konnte sich der Einsatzwagen einen Weg durch die mit Kameras bewaffneten Männer und Frauen bahnen, die wie eine Horde Wilder über die Wagenfenster herfielen und ein wahres Blitzlichtgewitter entfachten.
Wenig später drehte sich Andy Cagle, der den Wagen fuhr, zu Sloan um und sah sie an, als habe sie eine ansteckende Krankheit. »Möchten Sie jetzt schon sprechen, oder wollen Sie noch warten, bis wir auf dem Revier Ihre Personalien aufgenommen haben?«
Sloan lag schon der Satz »Sie machen einen schweren Fehler« auf der Zunge, doch sie schluckte ihn schnell hinunter, da er ihr einfach zu banal vorkam. Sie hatte ihn unzählige Male gehört. Genaugenommen hatte so gut wie jeder Missetäter, den sie jemals verhaftet hatte, ihn ausgesprochen, und sie hätte es nicht ertragen, ihn nun von sich selbst zu hören.
Als sie an Noahs Haus vorbeifuhren, sah sie den Springbrunnen mit dem Fisch hinter dem Tor seine sprudelnden Fontänen werfen und fragte sich unwillkürlich, wie lange es dauern würde, bis Noah von ihrer Verhaftung erfuhr.
Paul hatte Carters Haus wegen einer wichtigen Besorgung verlassen und nur gesagt, daß er »später« zurücksein würde. Cagle und Flynn hatten offensichtlich nicht vor, sie schon vor der Aufnahme ihrer Personalien und den weiteren polizeiüblichen Formalitäten zu verhören, und sie war wütend darüber, daß sie wahrscheinlich die ganze aufreibende Prozedur durchlaufen würde müssen, bevor Paul Kontakt mit ihr aufnahm. Es bereitete ihr nicht das geringste Vergnügen, daß man ihre Fingerabdrücke nehmen und sie mit einem verdammten Nummernschild vor ihrer Brust fotografieren würde. All dies war nicht Teil der Abmachung gewesen, als sie eingewilligt hatte, nach Palm Beach mitzukommen.
Es war ihr völlig unverständlich, daß Flynn und Cagle offensichtlich von ihrer Schuld überzeugt waren, ohne sie überhaupt verhört zu haben. Während sie noch nach einem Grund suchte, der sie hierzu berechtigte, erinnerte Cagle sie an seine immer noch unbeantwortet im Raum stehende Frage. »Bedeutet Ihr Schweigen, daß Sie lieber erst die Formalitäten erledigen möchten?«
»Nein«, sagte Sloan so ruhig wie möglich. »Mein Schweigen bedeutet, daß ich auf eine Erklärung dafür
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