Farben der Sehnsucht
jungen Hausbesitzer war es zu verdanken, daß das Viertel sich schnell zu einer freundlichen und etwas bizarren Wohngegend entwickelt hatte, in der sehr eigenwillige, schindelgedeckte Avantgarde-Häuser in bestem Einvernehmen neben eher ländlich-traditionellen, malerischen Backsteinhäuschen mit Stuckverzierung standen.
Sloan hatte alle ihre Ersparnisse und ihre ganze Freizeit in die Renovierung ihres Hauses gesteckt, und das Ergebnis konnte sich sehen lassen. Das hübsche Haus mit den weißen Fensterrahmen und Zierleisten, die das Schiefergrau des Stucks sehr schön zur Geltung kommen ließen, war ein ungemein gemütliches Heim geworden. Als sie ihr Haus gekauft hatte, war der gegenüberliegende Strand noch fast ausschließlich in Privatbesitz gewesen. Damals war die Straße sehr ruhig gewesen, und das gleichmäßige Rauschen der Wellen war die meiste Zeit über das einzige Geräusch, das die Anwohner zu hören bekamen.
Bell Harbors Bevölkerungsexplosion hatte der Ruhe allerdings ein Ende bereitet, da mehr und mehr Familien mit kleinen Kindern hinzukamen, die nach einem Strand suchten, an dem sie dem Stadtlärm und dem Gealber der Studenten entgehen konnten. Hier hatten sie genau das gefunden, was sie gesucht hatten. Als Sloan jetzt - an einem Sonntag nachmittag um vier Uhr - in ihre kleine Straße einbog, parkten die Autos bereits Stoßstange an Stoßstange. Manche standen direkt vor Parkverbotsschildern, andere blockierten die Einfahrten der Anwohner. Und wenngleich Sloan sehr wohl wußte, daß das Meer in unmittelbarer Nähe war, konnte sie doch nur das Kreischen der Kinder und den Lärm der Musik hören, die aus den zahllosen Kofferradios drang.
Sara erwischte den einzigen freien Parkplatz weit und breit, und Sloan mußte ein Grinsen unterdrücken, als sie beobachtete, wie Sara den Fahrer eines zuerst angekommenen dunkelblauen Ford Sedans dazu brachte, zu ihren Gunsten auf seinen Parkplatz zu verzichten. Mit offenem Mund saß der Mann im Auto und starrte sie bewundernd an, während er sie widerstandslos passieren ließ.
»Du mußt wirklich etwas gegen den Verkehr hier unternehmen«, erklärte Sara, während sie auf Sloan zueilte und sich über ein Hosenbein wischte. »Die Autos parken so dicht, daß ich mich wirklich dazwischenquetschen mußte, und dabei habe ich mich auch noch schmutzig gemacht.«
»Es ist schon ein Glück, wenn sie mir nicht gerade die Einfahrt zuparken«, erwiderte Sloan, während sie ihre Haustür aufschloß. Das Haus besaß eine heitere und sommerliche Atmosphäre, da es sehr hell war und Sloan viel Liebe auf seine Einrichtung verwandt hatte. Auf den leichten Rattanmöbeln lagen gemütliche Sitzkissen, deren Muster aus grünen Palmenblättern und gelbem Hibiskus sich sehr harmonisch in den Raum fügte.
»Willst du mir jetzt endlich von Carter Reynolds erzählen?« drängte Sara. »Woher kannte er eigentlich deine Büronummer?«
»Er sagte, er habe meine Mutter angerufen.«
»Dann haben die beiden also doch Kontakt miteinander?«
»O nein.«
»Ach, ist das aufregend!« stieß Sara aus. »Ich frage mich, wie sie sein plötzliches Interesse an dir aufgenommen hat.«
Sloan konnte sich gut vorstellen, wie ihre Mutter reagiert hatte, aber statt ihrer Freundin gleich zu antworten, ging sie erst hinüber zu ihrem Anrufbeantworter, der drei neue Nachrichten anzeigte. Sie setzte ein ahnungsvolles Lächeln auf, als sie den Wiedergabeknopf drückte: Wie erwartet war es ihre Mutter, die angerufen hatte, und wie erwartet klang sie noch jugendlicher und fröhlicher als sonst. »Sloan, Liebling, hier ist deine Mom. Ein wundervolle Überraschung wartet heute auf dich, aber ich will sie nicht verderben, daher sage ich dir nicht, was es ist... Einen Tip muß ich dir aber doch geben: Du wirst heute einen Anruf von einem Mann erhalten, der eine große Rolle in deinem Leben spielt. Ruf mich doch heute nachmittag an, bevor du deinen Abenddienst antrittst.«
Auch die zweite Nachricht war von Kimberly Reynolds und nur zwei Minuten nach der ersten aufgenommen. »Liebling, ich war so aufgeregt, als ich dir vorhin auf Band sprach, daß ich gar keinen klaren Gedanken fassen konnte. Ich werde heute abend nicht vor neun Uhr zu Hause sein, weil wir Ausverkauf haben und im Geschäft sehr viel los ist, so daß ich Lydia versprochen habe, bis Ladenschluß zu bleiben. Du kannst mich dort aber nicht anrufen, weil es sie so aufregt, wenn Angestellte ihr Telefon benutzen. Du weißt doch, daß sie sowieso schon
Weitere Kostenlose Bücher