Farben der Sehnsucht
miteinander verbringen konnten, und ich muß morgen schon wieder fahren«, erklärte er den Anwesenden. Dann warf er Sloan einen Blick zu, aus dem man schließen hätte können, daß sie mindestens gute Freunde waren - wenn nicht mehr. »Was hältst du von einer Tasse Kaffee, bevor ich zurück ins Hotel gehe, Sloan?«
»Gute Idee«, stimmte Sloan bereitwillig zu, verabschiedete sich mit einem Winken von ihren Freunden und ging mit ihm davon.
Sara sah ihnen lange nach, bevor sie sich schließlich ihrem Begleiter zuwandte. »Jonathan, ich habe hier irgendwo meinen Pullover vergessen. Ich glaube, er liegt noch auf Jims Decke. Bist du so lieb und holst ihn mir?« Jonathan nickte und machte sich sofort auf den Weg.
Jess sah dem anderen Mann mit einem zynischen Lächeln nach und nahm wieder einen Schluck von seinem Bier. »Sag mal, Sara«, begann er dann spöttisch, »wieso haben deine Männer eigentlich immer dreisilbige Namen?«
»Wieso haben alle deine Frauen einen erstaunlich niedrigen IQ?« konterte Sara, deren Gedanken jedoch weiterhin bei Sloan und Richardson weilten, die noch in der Ferne zu sehen waren. »Er ist sehr attraktiv«, sagte sie dann mehr zu sich selbst als zu Jess.
Jess zuckte die Schultern. »Auf mich wirkt er nicht besonders anziehend.«
»Klar, er sieht ja auch nicht aus wie eine Striptease-Tänzerin.«
»Ich traue ihm nicht«, versetzte Jess, ohne auf ihre Bemerkung einzugehen.
»Du kennst ihn doch gar nicht.«
»Sloan kennt ihn auch nicht.«
»Natürlich tut sie das, sonst hätte sie ihn wohl kaum eingeladen«, widersprach Sara, wenngleich sie sich selbst sehr wunderte, daß Sloan ihre neue Eroberung nie erwähnt hatte.
»Es hat mich überrascht, daß du ihn nicht gleich nach seinem Einkommen gefragt hast«, meinte Jess sarkastisch.
»Ich dachte, damit warte ich noch ein bißchen«, versetzte Sara schlagfertig. Seine Bemerkung hatte sie getroffen, doch sie wollte sich das nicht anmerken lassen.
»Du bist ein geldgieriges kleines Flittchen.«
Die Rivalität zwischen Sara und Jess Jessup war in der Vergangenheit immer wieder aufgeflammt, aber niemals zuvor hatte er sie so direkt und persönlich angegriffen. Sara war wütend, und sie wurde noch wütender, als sie nun merkte, wie ihr die Tränen in die Augen traten. »Du bist wirklich nicht fähig, mit einer Zurückweisung umzugehen«, stieß sie hervor.
»Ich weiß nicht, was du meinst. Man kann doch nicht etwas zurückweisen, das einem niemals angeboten wurde. Und da wir uns gerade so nett unterhalten«, fuhr er kaltschnäuzig fort, »könntest du mir vielleicht erklären, wieso sich Sloan Reynolds ein so oberflächliches, eigensüchtiges, launisches Gör wie dich als beste Freundin ausgesucht hat?«
Sara hatte das Gefühl, einen Schlag in die Magengrube bekommen zu haben. Niemals zuvor in ihrem Leben war ihr von einem anderen Menschen eine so hemmungslose Verachtung entgegengeschlagen. Niemand außer ihrer Mutter hatte sie jemals so verletzt, und die Erinnerungen ihrer Kindheit stürmten nun so heftig auf sie ein, daß sie sich wie gelähmt fühlte. Er wartete nur darauf, daß sie den Kampf mit ihm aufnahm und zurückschlug, doch sie konnte es nicht. Aus irgendwelchen Gründen, die niemals wirklich deutlich geworden waren, hatten sie und Jess einander von Anfang an nicht gemocht, aber sie hatte nicht gewußt, ja nicht einmal geahnt, daß er sie so tief verabscheute. Sie starrte ihn entsetzt an und versuchte verzweifelt, die Tränen zurückzuhalten; dann senkte sie den Blick und schluckte. »Es tut mir leid«, brachte sie hervor, bevor sie sich abwandte.
»Es tut dir leid?« fragte er. »Was zum Teufel tut dir denn leid?«
»Das, was ich dir angetan haben muß, damit du mich so verachtest.«
In diesem Moment erschien Jonathan mit ihrem Pullover und legte ihn ihr über die Schultern. »Ich möchte nach Hause«, sagte sie leise zu ihm. »Ich bin ziemlich müde.«
Jess sah ihr nach, als sie mit Jonathan davonging. »Scheiße«, stieß er bitter hervor. Dann zerdrückte er die Bierdose in seiner Hand und warf sie in einen Abfalleimer.
9
Sloan nickte einem Nachbarn zu, der gerade seinen Hund ausführte, und schenkte dann einem Paar, das sich in ihrem Vorgarten mit Freunden unterhielt, ein freundliches Lächeln. Als sie aber in ihrem Wohnzimmer angekommen waren, ließ sie die Maske sofort fallen. »Wieso stehe ich unter FBI-Überwachung?« fragte sie drängend.
»Wie wär’s mit einer Tasse Kaffee, während ich es Ihnen
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