Farben der Sehnsucht
einmal, ich sei eine Gefahr für die Allgemeinheit.«
»Wolltest du schon immer Innenarchitektin werden?«
Wenngleich Sloan ihrer Schwester einige Dinge aus ihrem gegenwärtigen Leben verschweigen mußte, war sie doch entschlossen, soweit wie möglich bei der Wahrheit zu bleiben. »Eigentlich«, gestand sie, »war es immer mein Traum, einmal wie Superwoman oder Batwoman zu sein. Und du, was wolltest du werden?«
»Schon als ich meine erste Puppe bekam, machte ich mir ständig Gedanken darüber, was ich ihr alles Schönes anziehen könnte«, gab Paris zu. »Ich nehme also an, daß ich mich schon immer für Mode interessierte.«
Der Kellner servierte ihnen eine Flasche Champagner in einem silbernen Eiskübel und füllte ihre beiden Gläser, bevor er sie wieder sich selbst überließ. Da gerade ein händchenhaltendes Teenagerpaar an ihnen vorbeiging, sagte Sloan lächelnd: »Sie sehen so furchtbar jung aus. Kaum zu glauben, daß sie schon etwas miteinander haben, findest du nicht?« Als Paris nickte, ergriff Sloan die Gelegenheit, um ihr eine persönliche Frage zu stellen. »Wie alt warst du bei deiner ersten Verabredung mit einem Jungen?«
»Sechzehn«, antwortete Paris. »Er hieß David und hat mich zum Abschlußball begleitet. Ich hatte eigentlich mit einem Jungen namens Richard gehen wollen, aber Vater kannte Davids Familie und hielt es für besser, daß er mich begleitete.«
»Und, wie war’s?« fragte Sloan gespannt.
»Es war schrecklich«, gestand Paris schaudernd. »Auf dem Rückweg vom Ball trank er sich einen an; dann parkte er den Wagen und fing an, mich zu küssen. Er wollte nicht damit aufhören, bis ich schließlich in Tränen ausbrach... Und wie war deine erste Verabredung?«
»Ungefähr so wie bei dir«, sagte Sloan lachend. »Ich besuchte den Abschlußball zusammen mit Butch Bellamy, der einen Kopf größer war als ich und nicht tanzen konnte. Er verbrachte den Großteil des Abends im Nebenzimmer, wo er mit seinen Kumpels vom Football-Team Bier trank. Auch er hat auf dem Heimweg angehalten und begonnen, mich zu begrapschen und zu küssen.«
Lachend versuchte Paris, den Ausgang der Geschichte zu erraten. »Und dann hast du auch angefangen zu weinen, so daß er dich nach Hause bringen mußte?«
»Nein. Ich habe ihm gedroht, daß ich allen seinen Freunden erzählen würde, daß er schwul sei, wenn er mich nicht sofort aussteigen ließe. Dann zog ich meine ersten hochhackigen Schuhe aus und ging in meiner ersten Netzstrumpfhose drei lange Kilometer zu Fuß nach Hause. Als ich dort ankam, war die Strumpfhose natürlich kaputt.«
Paris lachte immer noch, als Sloan nun ihr Glas zu einem Toast hob. »Auf uns - darauf, daß wir unser erstes Rendezvous überlebt haben«, sagte sie feierlich.
Auch Paris erhob das Glas und stieß mit ihrer Schwester an. »Auf uns - und auf alle Mädchen, die eine ähnliche Erfahrung gemacht haben.«
Inzwischen war der Kellner wieder erschienen und hatte den beiden Frauen eine Speisekarte ausgehändigt. Sloan wollte die Atmosphäre von Heiterkeit und beginnender Vertrautheit, die zwischen ihnen entstanden war, nicht abklingen lassen, während sie sich etwas zu Essen aussuchten. Sie warf daher über ihre Karte hinweg einen verschmitzten Blick auf Paris und bat sie: »Sag mir, was dir überhaupt nicht schmeckt.«
»Rosenkohl zum Beispiel. Und dir?«
»Leber.«
»Ich habe gehört, wenn man Leber mit...«
Sloan schüttelte den Kopf. »Es gibt keine Art der Zubereitung, die Leber eßbar machen kann. Wenn du Leber magst, können wir wohl doch keine Schwestern sein. Vielleicht wurde ich adoptiert und... Wieso lachst du denn?«
»Weil ich ja nur sagen wollte, was ich von anderen gehört habe. Ich selbst hasse Leber. Ich muß schon würgen, wenn ich nur an sie denke.«
»Das ist der Beweis. Wir sind doch miteinander verwandt«, verkündete Sloan fröhlich.
Paris wandte in feierlichem Ton ein: »Nicht unbedingt. Ich stelle dir nun die entscheidende Frage; überleg dir daher gut, was du sagst! Was hältst du von Tomatensuppe?«
Sloan schüttelte sich angeekelt, woraufin sie beide erneut in Lachen ausbrachen. Damit war die Sache also ein für allemal geklärt.
Paris nahm sich eine Scheibe von dem frischen Weißbrot, das Jean auf den Tisch gestellt hatte. »Warst du schon mal verheiratet?« fragte sie dann.
»Nein«, erwiderte Sloan. »Und du?«
»Fast. Ich habe mich verlobt, als ich fünfundzwanzig war. Henry war zweiunddreißig. Wir hatten uns in Santa Barbara auf
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