Farlander - Der Pfad des Kriegers - Buchanan, C: Farlander - Der Pfad des Kriegers - Farlander
einigen Seilen gezogen hatten, unter einer Wolke fliegenden Schutts zusammen.
Juno keuchte auf.
»Sieh nur«, sagte Bahm und lenkte die Aufmerksamkeit seines Sohnes rasch von diesem Anblick ab, indem er auf verschiedene Bauwerke auf den zukünftigen Schlachtfeldern zwischen den Mauern wies. Sie sahen aus wie Türme, waren aber an allen Seiten offen und nicht sehr hoch. »Grubenschächte«, erklärte er. »Die Sondereinheiten kämpfen rund um die Uhr da unten und versuchen zu verhindern, dass die Mauern untergraben werden.«
Nun sah Juno auf seinen sitzenden Vater herunter.
»Das ist ganz anders, als ich erwartet hatte«, sagte er. »Ihr kämpft da jeden Tag?«
»An manchen Tagen. Aber es gibt nur noch wenige Schlachten. Meistens ist es da unten so wie jetzt.«
Seine Worte schienen den Jungen zu beeindrucken. Bahm schluckte und wandte sich ab, als er den Stolz in den Augen seines Sohnes bemerkte. Juno wusste bereits, dass sein Großvater bei der Verteidigung der Stadt gestorben war. Er trug das Kurzschwert des alten Mannes an der Hüfte und würde, wenn sie wieder zu Hause waren, zweifellos darauf bestehen, dass ihm sein Vater weiteren Unterricht in dessen Benutzung gab. Der Junge sprach oft davon, dass er in die Fußstapfen seines Vaters treten wollte, wenn er alt genug dazu war, aber
Bahm wollte diese Bestrebungen nicht unterstützen. Es wäre besser, wenn sein Sohn davonlief und Wandermönch wurde oder sogar bei einem schmierigen Kaufmann in die Lehre ging, anstatt hierzubleiben und bis zum unausweichlichen Ende zu kämpfen.
Juno schien seine Stimmung richtig zu deuten. Sanft fragte er: »Wie lange können wir sie noch zurückhalten? «
Bahm blinzelte überrascht. Das war nicht die Frage eines Jungen, sondern die eines Soldaten.
»Papa?«
Beinahe hätte Bahm seinen Sohn angelogen, obwohl er wusste, dass das eine Beleidigung für den allmählich erwachsen werdenden Jungen gewesen wäre. Aber Marlee saß dicht hinter ihnen, und sie war dazu erzogen worden, sich immer der Wahrheit zu stellen, wie widerwärtig sie auch sein mochte. Er spürte, wie sie die Ohren spitzte und in der Stille auf seine Antwort wartete.
»Wir wissen es nicht«, gab er zu und schloss kurz die Augen, als ihn ein weiterer Windstoß traf. Bahm schmeckte Salz auf seinen Lippen; es war wie ein Überrest von getrocknetem Blut.
Als er die Augen wieder öffnete, sah er, dass Juno erneut die Mauern und die Schar der Mhannier davor anstarrte. Er schien die zahllosen Banner zu beobachten, die von hier aus sichtbar waren: auf der einen Seite der khosische Schild und der mercische Wirbel auf meeresgrünem Untergrund, von denen Dutzende auf den Zinnen flatterten; auf der anderen Seite die rote Reichshand von Mhann mit der fehlenden Spitze des kleinen Fingers,
blasoniert auf einem Feld aus reinem Weiß – Hunderte davon wehten auf der Landzunge. Der Junge schaute so angespannt drein, dass sich seine Gesichtshaut straff gespannt hatte.
»Es gibt immer Hoffnung«, sagte Marlee beruhigend zu ihrem besorgten Sohn.
Juno sah ein weiteres Mal seinen Vater an.
»Ja«, stimmte Bahm zu, »es gibt immer Hoffnung.«
Aber als er diese Worte sagte, konnte er seinem Sohn nicht in die Augen sehen.
KAPITEL ZWEI
Kumpel
Der Fuß stupste ihn wieder an, eindringlicher diesmal.
»Dein Hund«, sagte die Stimme durch den dünnen Stoff seines Lakens. Sie war weiblich und klang unwirsch. »Ich glaube, er ist tot.«
Nico öffnete die Augen einen winzigen Spalt weit, so dass sich der Schein des frühen Morgenlichts in seinen Wimpern verfing. Zu hell, dachte er, als er sich tiefer in die Wärme seines eigenen Körpers hineinkauerte. Zu früh.
»Lass mich in Ruhe«, murmelte er.
Das Laken wurde weggezogen, und wie gestrandet lag er im Tageslicht. Er schlug die Hand über die Augen, blinzelte durch den Spalt zwischen seinen Fingern und sah das Mädchen über ihm stehen. Sie hatte die Hände in die Hüften gestemmt. Er erinnerte sich daran, dass sie Lena hieß.
»Dein Hund, habe ich gesagt. Ich glaube, er ist tot.«
Es dauerte eine Weile, bis ihre Worte für ihn einen Sinn ergaben. In letzter Zeit fiel ihm das Aufstehen
schwer. Jeder neue Morgen war eine triste und unerwünschte Angelegenheit, der er sich nicht stellen wollte.
»Was?«, meinte er und runzelte die Stirn über das Mädchen – und auch über die Sonne, deren Glanz am Himmel schon mehrere Stunden alt war. Kumpel lag dort, wo er sich gestern Abend hingelegt hatte. Der alte Hund schlief sicherlich
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