Farlander - Der Pfad des Kriegers - Buchanan, C: Farlander - Der Pfad des Kriegers - Farlander
einziges Mal sein Schwert. Er stand dem Feind nicht einmal von Angesicht zu Angesicht gegenüber.
Er stand Schulter an Schulter mit den anderen Männern aus seiner Kompanie. Die meisten von ihnen waren ihm noch immer unbekannt, und jedes Gesicht, das er sah, war totenbleich und bar jeden Kampfgeistes. Der Kampflärm raubte ihm den Atem; er spürte, wie Übelkeit ihn ergriff und hatte das Gefühl, sich in freiem Fall zu befinden. Bahm hielt sein Schwert wie einen Stock vor sich. Es hätte genauso gut ein Stock sein können, denn er wusste nicht, wie er mit dieser Waffe umgehen sollte.
In der Nähe hatte jemand seine Eingeweide entleert. Der Gestank war kaum dazu angetan, die anderen Männer mutiger zu machen; er rief in ihnen bloß den Drang hervor, wegzulaufen. Die Rekruten zitterten wie Fohlen, die vor einem Stallbrand fliehen wollten.
Bahm wusste nicht, was es war, das am Ende das Tor aufbrach. Zuerst hatte es sich noch massiv und fest vor ihm erhoben und war schier unüberwindbar erschienen. Rall, der Bäcker, plapperte neben ihm irgendwas darüber, dass Helm und Schild sein Eigentum seien und er sie auf dem Markt gekauft habe; es war ein Wortgewirr, das Bahm kaum verstand. Und dann lag Bahm auf dem Rücken, rang nach Luft, sein Verstand war wie
betäubt, und in seinen Ohren klingelte es schrill, während er sich zu erinnern versuchte, wer er war, was er hier machte und warum er in den milchigblauen Himmel starrte, der von wogenden Staubwolken verdunkelt wurde.
Als er den Kopf hob, prasselte überall um ihn herum Schotter nieder. Der alte Rall, der Bäcker, brüllte ihm etwas ins Gesicht und hatte Augen und Mund weiter aufgerissen, als es je möglich sein sollte. Der Mann hielt den Stumpen seines Arms hoch; die Hand baumelte noch an einer langen Sehne daran. Blut spritzte in hohem Bogen aus dem Stumpf hervor, fing das Licht der untergehenden Sonne ein und wirkte in diesem Augenblick beinahe schön. Dann überfiel Bahm der Schmerz, der in das zerrissene Fleisch seiner Wangen stach, und plötzlich spürte er den explosionsartig auf ihn zuschießenden Atem, als Rall ihm ins Gesicht brüllte, obwohl Bahm nach wie vor nichts hören konnte. Durch die Beine der noch aufrecht stehenden Soldaten schaute er hinüber zum Tor und sah einen Teppich aus rohem Fleisch und Knorpel mit scheußlichen Bewegungen darin. Das Tor war verschwunden. An seiner Stelle befand sich ein Vorhang aus dunklem Rauch, der hier und dort zerriss, als weiße, heulende Gestalten hindurchschlüpften.
Irgendwie kam er wieder auf die Beine, als die Überlebenden aus seiner Kompanie vorwärts stürmten und die Öffnung versperren wollten. Das schien ihm Wahnsinn zu sein: Bauern oder kleine Händler in schlecht sitzenden Rüstungen rannten auf die mörderischen Feinde
zu, die nichts anderes im Sinn hatten, als sie niederzumetzeln. Seine Augen brannten bei diesem Anblick: Er sah die Schwungkraft und Tapferkeit dieser Männer, deren Kameraden entweder tot auf dem Boden lagen oder wahnsinnig geworden durch die Gegend taumelten und zu fliehen versuchten. Das weckte etwas in Bahm. Er dachte an das Schwert in seiner Hand und daran, seinen Gefährten zu helfen, von denen allzu wenige versuchten, die Flutwelle der Angreifer aufzuhalten.
Aber nein, er besaß sein Schwert nicht mehr. Atemlos hielt er Ausschau danach und sah wieder den alten Rall, der auf den Knien hockte und ihn anschrie.
Was will er von mir? , dachte Bahm entsetzt. Will er, dass ich ihm seine Hand wieder annähe?
Vor dem Tor wurden die Verteidiger wie Weizen niedergemäht. Es waren unerfahrene Rekruten, im Gegensatz zu den Mhanniern. Irgendwo hinter Bahm brüllte ein Sergeant den Männern zu, sie sollten standhalten. Speichel spritzte aus seinem Mund, als er gegen ihre Rücken drückte und sie zu einer Linie formieren wollte. Aber niemand hörte auf ihn, und diejenigen um Bahm herum drängten gegen ihn, fluchten, schrien und wollten nichts als fliehen.
Da wusste er, dass es hoffnungslos war. Außerdem fand er sein Schwert nicht. Es lagen andere Klingen zwischen all den Trümmern, aber nicht das seine mit der richtigen Nummer am Griff – und es war für ihn aus irgendeinem Grund entscheidend, das richtige zu haben. Wenn er es gefunden hätte, wäre er vielleicht an jenem Tag gestorben. Doch so verließ ihn der Drang zu kämpfen,
während er erfolglos nach seiner Waffe suchte. Mehr als alles andere wollte er nun Marlee wiedersehen. Er wollte dabei sein, wenn ihr Kind geboren wurde. Er
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