Farlander - Der Pfad des Kriegers - Buchanan, C: Farlander - Der Pfad des Kriegers - Farlander
noch, aber Fliegen kletterten auf seiner Schnauze und seinem weißen Fell herum. »Was?«, meinte Nico noch einmal.
Er verscheuchte die Fliegen mit der Hand und strich über Kumpels Fell. Der Hund regte sich nicht.
»So war er schon, als ich aufgewacht bin«, erklang Lenas ferne Stimme. »Ich sage dir, wir sind die Nächsten, wenn wir nicht bald etwas Richtiges zu essen bekommen. «
»Kumpel?«
Im hellen Sonnenlicht sah der Hund schrecklich dürr aus. Die Rippen stachen hervor; das Rückgrat war eine scharf ausgeprägte, zerklüftete Linie aus Knochen. Nico wartete darauf, dass ein Ohr zuckte oder das Tier vielleicht im Traum einen Seufzer ausstieß. Aber da war nichts.
Er legte sich auf dem Gras zurück und zog sich das Laken über den Kopf. Dann legte er den Arm um seinen alten Freund.
Die Sommerdürre hatte den Boden ausgetrocknet, und daher musste Nico ihn mit seinem Messer auflockern,
bevor er mit den bloßen Händen ein Grab ausheben konnte. Er hatte eine Stelle unter einem alten Jupebaum auf einem Hügel im Süden des Parks ausgesucht, nicht weit von der Stelle entfernt, wo sie geschlafen hatten. Hagere Gesichter sahen ihm bei der Arbeit zu. Mehr als einmal hatte er während der letzten Monate verzweifelte Leute verscheuchen müssen, die seinen Hund zu töten versucht hatten, weil sie nach dem Fleisch des Tieres gegiert hatten. Nico hatte sie angebrüllt und Zweige nach ihnen geworfen, während Kumpel knurrend neben ihm gestanden hatte. Nun sah er die anderen trotzig an. Der Dreck auf seinem Gesicht war von Tränen durchzogen. Ich bringe jeden um, der ihn anrührt , schwor er sich traurig.
Kumpel wog kaum mehr als ein Sack Reisig, als Nico ihn anhob und in das flache Grab legte. Eine Weile kniete er davor und streichelte das goldene Fell. Die Fliegen versammelten sich wieder darauf.
Kumpel war noch ein Welpe gewesen, als Nicos Vater ihn nach Hause gebracht hatte; Nico selbst war erst wenige Monate alt gewesen. »In ihm hast du einen Gefährten, der auf dich aufpasst«, hatte sein Vater erklärt, als Nico einige Jahre älter gewesen war. Inzwischen war Kumpel zu einem übergroßen Wolfshund herangewachsen, und die beiden waren unzertrennlich gewesen. Kumpels Rasse war zur Hatz auf Rotwild und Bären in der Ebene sowie an den bewaldeten Hängen gezüchtet worden. Das letzte Jahr, in dem sie auf den Straßen der Stadt gelebt und nur wenig zu essen gehabt hatten, war nicht sehr gnädig zu ihm gewesen.
Es fiel Nico schwer, die Erde zurück ins Loch zu schaufeln und den Hund damit zu bedecken.
»Lebwohl, Kumpel«, sagte er schließlich, klopfte die Erde fest, und seine junge Stimme war kaum mehr als ein trockenes Flüstern, einsam wie der Himmel.
Er erhob sich, setzte den Strohhut auf und wünschte, er hätte mehr zu sagen. Für gewöhnlich kamen ihm die Worte leicht über die Lippen.
Sein Schatten fiel auf das Grab: ein stämmiger Umriss mit gespreizten Beinen, die Hände zu Kugeln zusammengepresst, der Kopf durch den Hut knollenförmig. Seine Gegenwart färbte die trockene, umgepflügte Erde schwarz.
»Es tut mir leid, dass ich dich in die Stadt mitgenommen habe«, sagte er. »Aber ich bin froh, dass du da warst, Kumpel. Ansonsten hätte ich nie so lange durchgehalten. Du bist mir ein guter Freund gewesen.«
Niedergeschlagen schlurfte Nico mit seinem Gepäck hinunter zum großen Teich und suchte sich einen Platz zwischen den anderen Menschen, die sich am Ufer drängten. Hier wusch er sich den Dreck von den Händen, aber unter seinen Fingernägeln klebte noch immer die Erde. Durch das Graben hatte er sich die Haut um sie herum aufgeschürft, und eine Weile sah er zu, wie die kleinen Wolken seines Blutes in die Trübnis des Teichs drangen.
Nico schob den Dreck auf der Wasseroberfläche beiseite, holte einen gewölbten Stock aus seinem Gepäck und putzte sich damit die Zähne. Er bemerkte den widerlichen Geschmack des Wassers auf den Lippen – es
kam ihm immer wie Silage vor – und achtete darauf, nichts zu schlucken. Das Sonnenlicht blendete ihn. Draußen, in der Mitte des Teichs, glänzte die Sonne in feurigem Widerschein. Eine Weile starrte Nico ihn an, bis es in seinen Augen schmerzte.
Seine Gedanken hatten sich verirrt, waren ziellos umhergewandert, kehrten allmählich zu ihm zurück und ließen sich in ihm nieder. Geh , sagten sie zu ihm. Steh auf und geh .
Nico erhob sich und schlang sich das Gepäck über den Rücken. Es war alles, was er besaß. Das Blut strömte ihm aus dem Kopf, und
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