Farlander - Der Pfad des Kriegers - Buchanan, C: Farlander - Der Pfad des Kriegers - Farlander
erkennen?«
»Noch zu weit weg, Käpt’n«, rief der Ausgucker zurück.
Graber zupfte an seinem Kinn herum. Er schaute hoch zu dem Ballon über ihnen, der vom schwindenden Licht angestrahlt wurde. Zu dieser Tageszeit war er für ein scharfes, in seine Richtung blickendes Auge viele Laq weit zu erkennen.
»Haben sie uns schon gesehen – das ist die Frage, die wir uns stellen sollten«, murmelte Graber, während er das ferne Segel betrachtete.
Einen Augenblick lang hatte es den Anschein, als ob die Sonne wieder aufging. Ein blendend helles gelbes Strahlen stieg in den Himmel und blieb dort zunächst in der heraufziehenden Dunkelheit hängen. Darunter spiegelte das Meer das Licht der Sonne als zitternde, feurige Scheibe wider. Das mhannische Schiff warf einen hart umrissenen Schatten auf das Wasser.
Graber schüttete sich den Rest Wein in den Mund und warf Berl den leeren Becher zu. »Das beantwortete die Frage«, verkündete er.
Das Glühen stieg wieder ab, und der leuchtende Kreis auf dem Wasser wurde immer kleiner. Es tauchte unter und brannte noch immer, stieg geisterhaft glimmend in die Tiefe. Nico rieb sich die Augen, um das Nachbild zu vertreiben, dann öffnete er sie wieder und sah, wie am
östlichen Horizont ein neuer Feuerschein himmelwärts stieg. Das bedeutete, dass sich dort draußen ein weiteres Schiff befand, das wegen der Entfernung noch nicht zu sehen war.
»Es muss eine Formation in der Nähe sein«, sagte Graber. »Wenn sie ein paar Vögelchen in diesem Gebiet haben, dann haben wir die Bastarde noch vor Sonnenaufgang im Nacken.«
Nico regte sich unbehaglich.
»Bleib ruhig«, warnte Asch ihn. Der alte Rōschun stand reglos da, hatte die Hände in den Ärmeln vergraben und beobachtete das verblassende Glimmen.
»Befehle, Kapitän?«, fragte der Mann am Steuer, ein alter zerlumpter Seemann.
»Befeuere die Röhren, Steiner, und bring uns nach Westen. Schlag den alten Kurs wieder ein, sobald es vollständig dunkel ist.«
»Aye, Käpt’n.«
Graber legte den Kopf in den Nacken und betrachtete die wenigen abendlichen Sterne, die schon erschienen waren. »Dalas, sorge dafür, dass die Verdunkelung heute Nacht vollständig ist und von jeder Wache überprüft wird. Jeder, der sich über diese Anordnung hinwegsetzt, wird in den Kielraum geworfen.«
Graber drehte dem Himmel den Rücken zu, und seine Zähne leuchteten in der Dunkelheit.
»Arbeit macht durstig«, sagte er zu Asch. »Hast du Lust, mit mir diese Flasche abzuarbeiten?«
Nico wollte nicht zu den kalten Überresten seines Essens zurückkehren. Stattdessen begab er sich allein und verärgert in seine Kabine. Lange versuchte er einzuschlafen. Heute Nacht schien die Koje härter zu sein. Durch die Deckenplanken unmittelbar über ihm war das Gemurmel von Stimmen zu hören: Graber und Asch unterhielten sich und tranken miteinander. Er versuchte, ruhig zu werden, aber es gelang ihm nicht. Immer wieder dachte er an die Zukunft – an morgen und den Tag danach, und an die Wochen, Monate und Jahre, die vor ihm lagen. Schlaf war eine Zuflucht, die ihm verwehrt war.
Einige Stunden später stolperte Asch in die Schwärze des Raums. Er stank nach Wein und grunzte, als er in seiner Koje zusammenbrach. Nico beobachtete seine undeutlichen Umrisse, als er sich auf den Rücken rollte.
In der Düsternis sah er, wie sich der alte Mann mit der Hand an die Stirn griff. Asch atmete tief durch, als ob ihm das helfen würde, und tastete in den Innentaschen seiner Robe herum. Schließlich hatte er den kleinen Beutel gefunden, den er immer bei sich zu tragen schien. Er entnahm daraus ein Dulceblatt und steckte es sich in den Mund.
Der alte Mann kaute und atmete dabei schwer durch die Nase.
»Meister Asch«, flüsterte Nico der dunklen Gestalt zu.
Einen Moment lang glaubte er, der Farlander hätte ihn nicht gehört. Doch dann schnalzte Asch mit der Zunge und fragte: »Was?«
Ein Dutzend Fragen formten sich in Nicos Kopf. Sie hatten bisher nur kurz über den Orden von Rō̄schun,
über die Siegel und deren Funktionsweise sowie darüber gesprochen, was er dort tun sollte. Es gab so vieles, was er wissen wollte.
Doch stattdessen sagte er nur: »Ich habe mich bloß gefragt, ob es Euch gutgeht.«
Es kam keine Antwort.
»Ich habe bemerkt, dass Ihr oft diese Dulceblätter kaut.«
Als der Rō̄schun endlich antwortete, klang seine Stimme unterdrückt und hölzern. »Kopfschmerzen. Das ist alles.«
Nico nickte, als ob der Farlander dies in der Dunkelheit
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