Farlander - Der Pfad des Kriegers - Buchanan, C: Farlander - Der Pfad des Kriegers - Farlander
Blick auf den näher kommenden Hafen und die vielen Schiffe, die dort vor Anker lagen. Dahinter erstreckte sich die ausgedehnte Stadt bis ins Vorgebirge, das wiederum von schwarzen, schneebekränzten Bergen überragt wurde, so weit das Auge reichte.
Dies war die einzige Stadt und der einzige Hochseehafen auf der gesamten bergigen Insel Cheem. Der Hafen war groß, wenn auch nicht ganz so groß wie der von Bar-Khos. Außerdem hatte er einen überaus schlechten Ruf, und dieser Ruf entsprach ausnahmsweise einmal der Wirklichkeit.
Wie alle mercischen Kinder war Nico mit Geschichten über die Plünderer von Cheem aufgewachsen. In den Freien Häfen drohten die Eltern ihren ungebärdigen Kindern oft damit, dass sie als Sklaven von den Plünderern
entführt würden. Die Eltern zeichneten sie als Ungeheuer und erfanden blumige Geschichten wie zum Beispiel die, dass die Plünderer immer ein Spielzeugschiff neben dem Bett des Kindes zurückließen, das sie zu entführen gedachten. Wenn es erwachte und das Schiff sah, war es entsetzt. Nur die Ungezogensten blieben von einer solchen Drohung unbeeindruckt.
Diese Ängste wurden nur noch schlimmer, wenn das Kind allmählich erwachsen wurde und erfahren musste, dass die Plünderer nicht nur Kinder, sondern auch Erwachsene entführten und zu ihren Sklaven machten.
Das war der Grund dafür, dass Nicos Erleichterung über die gelungene Meeresüberquerung rasch einer neuen Angst wich. Überall wäre er lieber gelandet als ausgerechnet hier.
Heute blies eine warme Brise, die schwer von allen scharfen Düften der See war, und wenn sie abflaute und Atem holte, stieg ein durchdringender Geruch nach schmelzendem Teer vom Deck auf. Der Wind war günstig, dennoch brannten die Antriebsröhren heiß, als sie sich dem Hafen näherten. Sie flogen über die Außenmauer und sahen den schmalen Kanal, der sie durchschnitt. Er wurde von glitschigen Steinwänden flankiert, die gedrungene Befestigungsanlagen in der neuen, abgerundeten Bauweise trugen, die angeblich Kanonenschüsse ablenken konnte. Nico warf einen Blick nach unten und sah, dass aus den Festungen Kanonenrohre hervorlugten, und altertümlichere Wurfmaschinen waren auf den flachen Dächern positioniert, während sich Soldaten in blassen Umhängen auf ihre Speere stützten
und das Luftschiff beobachteten, dass über ihren Köpfen dahinschwebte und die grünen Flaggen der Neutralität hinter sich herzog.
Als Asch der Vorrat an Kisch ausging, kreischten die Möwen protestierend auf. Das Schiff wendete; die Mannschaft beeilte sich, die Lenksegel neu einzurichten, und nun nahmen sie Kurs auf einen Strand am Südende des Hafens, wo ein Windsack auf einem hohen, auf die Felsen gebauten Turm flatterte. Masten zum Festmachen waren entlang des Ufers aufgerichtet, und ein verrottendes Luftschiff lag ohne Ballon auf dem Sand.
»Bleib in meiner Nähe«, befahl Asch Nico. »Wir werden nur ein paar Stunden in der Stadt haltmachen, aber die Geschichten, die du bestimmt über diesen Ort gehört hast, entbehren nicht jeglicher Wahrheit. Cheemhafen ist eine Schlangengrube. Am Tag sind wir dort ziemlich sicher, aber du solltest dich trotzdem nicht zu weit von mir entfernen.«
»Und wie lange wird unsere Reise in die Berge danach noch dauern?«
»Lange genug, aber es ist ein angenehmes und friedliches Land, wenn man die Wege kennt. Im Inneren leben nur wenige Menschen, wenn man von den geistlichen Orden und ihren Klöstern absieht.«
»Und den Mörderschulen?«
Asch versteifte sich neben ihm. »Wir sind nicht nur Mörder, Junge.«
Graue Rauchwolken stiegen aus der rechten Seite des Schiffes auf. Anker wurden geworfen, schleiften zuerst
durch das Wasser, dann über den Strand, und Klumpen von Seegras hatten sich in ihnen verfangen. Sie zogen Rillen in den Sand, bis einige Männer dort unten sie ergriffen und zu den Anlegemasten brachten. Die Falke stieg langsam und zitternd in den duftenden Brisen ab.
Graber näherte sich, als seine Männer über Bord sprangen und die Leinen sicherten. Der Kerido hing an seinem Hals.
»Ich hab dich nach Hause gebracht«, sagte er zu Asch.
»Ja. Danke.«
Graber schüttelte zuerst Asch und dann Nico die Hand. Der Kerido auf seiner Schulter schnatterte seinen eigenen Abschiedsgruß. Berl war leider nicht da, um Lebewohl zu sagen. Der Junge lag schwitzend und fiebernd in seiner Koje. Er hatte im Kampf einen Fuß verloren.
Nico zuckte zusammen, als das Schiff mit dem flachen Boden auf dem Sand aufsetzte. Er warf sich
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