Farlander - Der Pfad des Kriegers - Buchanan, C: Farlander - Der Pfad des Kriegers - Farlander
seine Lippen und nahm einen winzigen Schluck. Er keuchte auf, als er das Brennen der brackigen Flüssigkeit in seiner Kehle spürte, und musste husten.
»Was ist das denn für ein Zeug?«, krächzte er und gab die Kalebasse zurück.
»Gerstenwasser – und ein paar Tropfen Schweiß von den wilden Ibos. Sie nennen es Cheemfeuer.«
Der Klang dieses Wortes gefiel Nico gar nicht. Wärme durchpulste seinen Bauch, aber er wusste, dass es nur eine eingebildete Wärme war. Sein Vater hatte ihm einmal erklärt, dass es tödlich sein konnte, wenn man betrunken in der Kälte einschlief. »Glaubt Ihr, es ist klug, sich heute Nacht zu betrinken?«, fragte er.
Der alte Mann machte eine Handbewegung auf ihn zu, als wollte er eine Fliege verscheuchen. »Geh doch einmal aus dir heraus, Junge. Außerdem wird uns ein Kater bei dem helfen, was wir morgen zu tun haben.« Das ergab für Nico natürlich gar keinen Sinn, aber er sagte nichts mehr.
Sie nahmen ein Abendessen aus gepökeltem Schinken und einem frischen Kischlaib zu sich, den sie unter sich aufteilten und mit einigen Tassen Chee herunterspülten, den sie mit Wasser aus einem Fluss in der Nähe aufgesetzt hatten. Sie tranken noch mehr Cheemfeuer und wurden immer lustiger, als das Tageslicht verdämmerte und sich die Sterne über ihnen sammelten. Das Feuer knisterte und flackerte vor einer Finsternis, die durch das Licht der Flammen noch schwärzer wirkte. Sie wärmten sich die Füße daran und hatten die Stiefel ausgezogen.
»Ist es weit von hier entfernt?«, fragte Nico, nachdem er einige Zeit in die zischenden und lebendig tanzenden Flammen gestarrt und sich beinahe in seinen Gedanken verloren hatte.
»Was?«
»Das Kloster. Ist es noch weit bis dorthin?«
Der alte Mann zuckte die Schultern. Er hatte einen Stein aufgehoben und warf ihn nun mit der einen Hand in die Luft.
»Warum zuckt Ihr die Achseln?«
»Weil ich es nicht weiß.«
Er muss betrunken sein , dachte Nico. »Aber wenn Ihr dort lebt«, versuchte er es noch einmal, »wieso wisst Ihr dann nicht, wie weit wir noch reisen müssen?«
»Nico, vertrau mir, ja? Morgen früh wird alles für dich einen Sinn ergeben. Aber jetzt solltest du trinken und genießen. Wenn wir nach der heutigen Nacht endlich Sato erreicht haben werden, wartet viel harte Arbeit und Ausbildung auf dich.«
Widerstrebend setzte Nico noch einmal die Kalebasse an. Er nahm einen weiteren feurigen Schluck und gab sie zurück, dann legte er sich auf den Rücken, mit dem Ellbogen unter dem Kopf, und betrachtete die Sterne. Es wurde kälter.
Aus den Augenwinkeln sah er, dass Asch noch immer den Stein in der Hand hielt und das Siegel betrachtete, das er am Hals trug. Nico betrachtete ihn eingehender. Der alte Mann zeigte einen Ausdruck düsterer Selbstbesinnung.
Ich hätte es wissen sollen , dachte Nico. Er ist ein weinerlicher Saufbold, genau wie mein Vater .
Asch hob den Blick vom Siegel und bemerkte, dass Nico ihn anstarrte. Er grunzte und steckte es wieder unter seine Robe. »Was ist?«, fragte er.
»Nichts, Asch … Meister Asch. Ich habe eine Frage.«
Der alte Farlander seufzte. »Dann stelle sie.«
»Ihr habt gesagt, dass das Siegel, das Ihr um den Hals tragt, tot ist. Aber es hat einmal einem Auftraggeber gehört. «
»Ja.«
»Wenn Ihr die Siegel als Abschreckungsmittel benutzt, warum tragt Ihr dann nicht Euer eigenes? Warum schützt Ihr Euch nicht mit der Drohung der Vendetta?«
Aschs Zähne blitzten im Feuerschein auf. »Endlich eine Frage, die des Redens wert ist«, sagte er und warf den Stein erneut hoch. Er drehte sich in der Luft, und Asch fing ihn wieder auf.
Er beugte sich vor, als ob er Nico eine höchst vertrauliche Mitteilung machen wollte. »Ich will dir etwas sagen, Nico, und du musst dich immer daran erinnern.« Sein Atem war heiß und roch würzig. »Rache, mein Junge … Rache ist ein Kreislauf, der kein Ende hat. Ihr Anfang ist Gewalt, und ihr Ergebnis ist Gewalt. Und dazwischen liegt nichts als Schmerz. Deswegen tragen wir Rōschun keine Siegel als Schutz. In Wahrheit hoffen wir immer, abschreckend genug zu wirken. Denn wir wissen besser als die meisten, dass Rache in dieser Welt keinen wirklichen Nutzen besitzt. Sie ist lediglich der Beruf, zu dem uns unser Lebensweg geführt hat.«
»Das klingt so, als wäre das, was Ihr tut, falsch.«
»Wir denken nicht in Kategorien wie Falsch oder Richtig. Unsere Arbeit ist moralisch neutral, und das musst du unbedingt begreifen, denn es ist die Grundlage des
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