Farlander - Der Pfad des Kriegers - Buchanan, C: Farlander - Der Pfad des Kriegers - Farlander
puderweißen Gesichter an, die um den großen Tisch versammelt waren. Diesen Männern war von Jugend an beigebracht worden, Gefühle nur dann zu zeigen, wenn es unbedingt erforderlich war. Es hieß, sie puderten ihre Gesichter, damit nicht einmal die Spur eines Errötens sichtbar war. Doch nun sah Bahm in ihren feindseligen Mienen das Blut ihrer Ahnen an die Oberfläche steigen und ihre so sorgsam geschminkten Gesichter verdunkeln. Es war das gleiche Blut, das durch die Adern ihrer Urgroßväter und Onkel geflossen war, jener reichen Patrizier, die sich des ersten und einzigen Großkönigs von Mercia entledigt hatten, unterstützt nur von einer Pöbelarmee, die durch die Pläne des Königs zur Eroberung fremder Länder erzürnt war – denn solch imperialistische Bestrebungen hatten den Völkern der Freien Häfen noch nie gefallen.
»Angreifen? Womit?«, fragte Minister Sinese und schwenkte seinen Spazierstock durch die Luft.
»Mit unseren Reserven, verdammt! Ja, noch einmal: Wir haben genug Männer, um eine Offensive gegen Nomarl zu starten. Ihr könnt es mit Euren eigenen Augen von hier aus erkennen. Es ist so nahe, dass Ihr bloß Euren Stock auszustrecken braucht und es berühren könnt.« Während er sprach, deutete Glaub mit der Hand zuerst auf die Fenster und dann weiter ostwärts, so dass er nun auf die Wand des Raumes zeigte – als ob er durch sie hindurch auf die gesamte Küstenlinie des Festlandes
blicken könnte. »Erst nehmen wir Normarl ein. Dann können wir mit Hilfe der Reserven von Minos und den anderen Inseln weitere Hafenstädte entlang der pathischen Küste erobern. Wir richten Brückenköpfe ein, fassen auf dem Festland Fuß und eröffnen eine neue Front. Wir verschaffen uns Möglichkeiten . Was nützen Reserven, wenn wir uns mit schwindenden Hoffnungen hinter unseren Mauern verschanzen? Solange diese Männer inaktiv sind, stellen sie nichts anderes dar als hungrige Mäuler, die gefüttert werden müssen. Sie bringen uns nichts als ein ruhiges Gewissen. Nun, meine Herrn, ich sage Euch jetzt« – sein stechender Blick fuhr durch den Raum und ruhte kurz auf jedem der Anwesenden – »dass wir uns ein ruhiges Gewissen schon lange nicht mehr leisten können. Es ist Zeit zu handeln.«
Vor diesem Treffen hatte der General Bahm nichts von diesem Vorschlag gesagt, obwohl er Glaubs engster Vertrauter war. Er wusste jedoch, dass der alte Kriegsveteran genauso berechnend wie spontan sein konnte. Vielleicht hatte er das Thema der Festungen nur deshalb wieder vorgebracht, weil er genau wusste, dass sein Vorschlag abgelehnt werden würde und er dann das verlangen konnte, was ihm wirklich wichtig war: eine erneute Offensive gegen das Reich. Oder der Umstand, dass er hier in diesem Zimmer saß und über den schmalen Wasserstreifen auf die feindliche Stadt schaute, hatte in ihm das tiefe Verlangen heraufbeschworen, etwas zu unternehmen, und nun ließ er sich von seiner Leidenschaft davontragen.
Sinese, der Verteidigungsminister, sorgte mit erhobener
Hand für Ruhe im Raum und klopfte zusätzlich mit der Spitze seines Stocks auf den Boden.
»General Glaub, ich habe unsere Haltung hinsichtlich der Reserven bereits verdeutlicht, sowohl heute als auch bei früheren Sitzungen des Kabinetts. Wir werden uns nicht verwundbar machen, indem wir Verstärkungskräfte abziehen, die wir bei einem weiteren Großangriff der Mhannier gegen den Schild unbedingt brauchen werden. Und da wir, wie Ihr uns so gern in Erinnerung ruft, an der Ostküste so verwundbar sind, ist dies ein weiterer Grund dafür, unsere Reserven nicht anzugreifen, denn dann haben wir wenigstens eine Verteidigungsmacht, wenn das Reich ein solches Manöver versuchen sollte. General, wir sind gegenwärtig kaum in der Lage, eine Offensive gegen die Mhannier zu beginnen. Überall in den Freien Häfen stellen wir moderne Kanonen, Gewehre und Schiffe her, und zwar so schnell wie möglich und so viel wie nie zuvor. Wir hungern, weil wir Zanzahar genauso viel für sein Schwarzpulver wie für sein Getreide bezahlen müssen. Und trotz alldem können wir unsere Stellung kaum behaupten.«
»Unsere Stellung behaupten? Seit zehn Jahren werden wir allmählich zurückgedrängt. Während ich hier rede, kann Kharnosts Mauer jeden Augenblick zusammenfallen. Wir befinden uns nicht in einer Pattsituation. Falls Ihr das glaubt, solltet Ihr Euch schnell von dieser Vorstellung verabschieden. Nein, wir sehen uns einer langsamen, aber sicheren Exekution gegenüber. Wenn wir nicht
Weitere Kostenlose Bücher