Farlander - Der Pfad des Kriegers - Buchanan, C: Farlander - Der Pfad des Kriegers - Farlander
sich durch silbrige Wälder voran, in denen selbst der Wind keinerlei Geräusch oder Bewegung hervorbrachte. Der Himmel über ihren Köpfen wirkte grau und ausgewaschen, und er schien tiefer als gewöhnlich zu hängen und sie beinahe zu zerquetschen. Wolken jagten über ihn hinweg, waren blau eingefärbt durch die Schwestermonde, die viel höher und schneller durch den Himmel trieben, als es eigentlich hätte möglich sein sollen. Nico beobachtete sie eine Weile, bis die Monde hinter Wolken verschwanden, eine weiß und eine blau, und die Zeit selbst schien in ihm zu pulsieren, endlos, regelmäßig, kreisförmig, und bevor er es erkannte, waren die Wolken und die Monde verschwunden, und es herrschte wieder Tageslicht, auch wenn es wässerig und dünn war und die Nacht noch in ihm schwebte. Sie trieben ihre Maulesel durch ein tiefes, felsiges Tal. Asch sang ein einfaches fremdes Lied aus vollem Hals, die Echos hallen von den Schieferwänden wider und erschufen eine Harmonie, die Nico noch nie gehört hatte.
Aus irgendeinem Grund weinte Nico, als sie sich um ein kleines Feuer aus erbärmlichem Gezweig in einer Höhle kauerten, in der es nach Fledermausexkrementen
und Algen stank. Asch weinte ebenfalls und erzählte schluchzend von der Familie, die er vor so vielen Jahren verloren hatte, von seiner geliebten Frau und seinem kleinen Sohn; und als Nico ihn ansah, konnte er sich plötzlich nicht mehr beherrschen, und sein eigenes Schluchzen verwandelte sich in Gelächter, und Asch wurde wütend und brüllte ihn wieder in dieser fremden Sprache an, deren Worte eher nach einem Knurren klangen, doch das machte es für Nico nur noch schlimmer, und er zeigte auf den immer wütender werdenden alten Farlander und brüllte: » Es ist alles verloren! Es ist alles verloren! «, bis Asch nach ihm griff, aber das Gleichgewicht verlor, nach vorn fiel, über die Flammen rollte – die dadurch ausgelöscht wurden – und nicht mehr aufstand.
Nein, das stimmte nicht, denn es regnete, und sie glitschten durch den Schlamm, während sie die Mulis einen Hang hochtrieben, über den Ströme aus eiskaltem Wasser hinabschossen, und die Wolken hingen so tief und waren so dunkel, dass es unmöglich zu sagen war, welche Tageszeit gerade herrschte, und vor ihnen donnerte ein großer, in Nebel gehüllter Wasserfall, und die feine Gischt durchnässte sie bis auf die Knochen. Näher und näher kamen sie dieser Kaskade über einen schrecklichen Pfad, der sich an einem tausend Fuß tiefen Abgrund entlangwand. Sie schritten geradewegs durch den Wasserfall und drangen in einen Tunnel ein, der unheimlich grün vor pelzigen Flechten an den Wänden glühte. Der alte Mann rief etwas Beruhigendes in all diesem Lärm, der so laut war, dass Nico Asch nicht verstand.
Das andauernd niederstürzende Wasser erschütterte seinen Magen und auch seinen Geist.
Und dann träumte er gewiss, denn er befand sich gar nicht mehr in den Bergen von Cheem, sondern auf einer weiten, gewellten Grasfläche, die sich auf ewig unter einer schwachen und milchigen Sonne zu erstrecken schien. Ein vereinsamter Vogel kreiste im Himmel. Fliegen schwebten in Wolken dicht über dem Gras, aber keine anderen Tiere waren zu sehen und keinerlei Laute zu hören. In einem einzigen Augenblick stieg die Nacht hernieder. Die Zwillingsmonde leuchteten über ihnen. Er schaute hinunter auf einen Mann, der sich unter einem kümmerlichen Baum zusammengerollt hatte, in Tierhäute eingewickelt war und fest schlief. Der Mann war nicht allein. Gestalten bewegten sich still auf ihn zu. Nico konnte sie kaum erkennen, aber sie schienen Alpträumen entsprungen zu sein, denn sie sahen aus wie Insekten, wie Spinnen oder Ameisen, doch sie waren ungeheuer groß – so groß wie Maulesel, und sie rannten nicht, sondern krabbelten.
Nico erkannte, dass es ein Traum war, aber er war anders als alle, die er je gehabt hatte. Er selbst schien sich nicht in diesem Traum zu befinden – er schwebte eher als körperlose Gestalt darüber und beobachtete den Alptraum eines anderen. Es war etwas Seltsames daran, denn er schien diesen Mann zu kennen, obwohl er in der Dunkelheit sein Gesicht kaum wahrzunehmen vermochte.
Plötzlich brüllte Nico den vertrauten Fremden an, er möge aufwachen, seine Waffen einsammeln und sich
verteidigen, aber es half nicht, denn kein Laut drang aus seinem Mund. Er brüllte noch lauter, kreischte sogar, als sich die Schatten um den Schlafenden scharten. Doch das Einzige, was sich regte, war eine
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