Farlander - Der Pfad des Kriegers - Buchanan, C: Farlander - Der Pfad des Kriegers - Farlander
Rō̄schun-Glaubens. Sieh es einmal so: Wir sind wie Felsen an einem Hang, die durch die Bewegung anderer Felsen
in Bewegung gebracht werden. Wir folgen nur dem natürlichen Lauf der Dinge.«
Er hielt einen Gedanken lang inne. »Aber wir dürfen nicht zulassen, dass unsere Arbeit persönlich wird, denn dann sind wir nicht mehr nur eine einfache Naturgewalt. Dann werden wir selbst zu einem Teil des Kreislaufs. Falls ich in einer Vendetta getötet werden sollte, nimmt ein anderer Rō̄schun meinen Platz ein, und dann wieder ein anderer, und noch einer, bis die Vendetta für den Auftraggeber abgeschlossen ist und wir unsere Verpflichtung erfüllt haben. Und dann ist die Sache erledigt. Wir tragen kein Siegel und wollen keine Rache für uns selbst. Auf diese Weise durchbrechen wir den Kreis.«
Der alte Mann verstummte und nahm einen tiefen Schluck aus der Kalebasse. Er wischte sich über die Lippen und versetzte Nico einen leichten Stoß. »Verstanden? «
Nico brummte der Kopf, was nicht nur vom Trinken kam. Seine Gedanken verwirrten sich. Die Khosier verstanden das Wesen der Vendetta; sie war tief in ihnen verwurzelt, und sie spürten den Drang zur Rache, wie ein Fisch spürt, dass er schwimmen muss. Ihre Legenden waren voll von blutigen Mordtaten und Racheakten, und die Rächer waren stets die Helden.
Er nickte, auch wenn er sich noch ziemlich unsicher war.
»Gut. Dann hast du bereits die wichtigste Lektion von allen gelernt.«
Ein brennendes Holzscheit knackte und löste sich
vom Feuer. Nico zuckte zusammen. Er beobachtete das Scheit, während es zwischen seinen nackten Füßen im Gras glühte und allmählich grau wurde. Er nahm einen weiteren Schluck aus der Kalebasse. Das Gefühl der Wärme in seinem Inneren war angenehm, ob es nun eingebildet war oder nicht. Er vermutete, dass er bereits ein wenig betrunken war, und fand das gar nicht so schlimm. Er war sogar fröhlich; es war, als bedrückten ihn seine vielen Bürden nicht mehr so stark. Er legte sich wieder zurück und betrachtete den Nachthimmel.
Hier in den Bergen leuchteten die Sterne hell; die hellsten schienen beinahe zu funkeln. Wenn Nico den Kopf von ganz links nach ganz rechts bewegte, konnte er dem milchigen Zug des Großen Rades durch den Himmel folgen; wenn er vom Rad aus abwärts schaute, sah er rechts vom Feuer seine beiden Lieblingsstern-bilder durch die Finsternis glühen: Die Herrin, deren Sterne eine Hand bildeten, die ihren zerbrochenen, aus weiteren Sternen bestehenden Spiegel hielt; und neben und über ihr der Große Narr, der Weltweise, mit seinem treuen Erdmännchen zu seinen Füßen, das aus vier kleinen Schimmern in einer ungeraden Linie bestand – sein einziger Gefährte am Ende, als er den himmlischen Thron aufgegeben hatte, um die Welt zu durchwandern und ihr die Lehren des Dao zu bringen.
Ein Meteor streifte durch den Himmel, fast sofort gefolgt von einem zweiten. Im Osten zeichnete ein Komet einen Lichtfinger in die Schwärze. Nico nahm das alles tief in sich auf und empfand Frieden.
Dieser Friede aber wurde von Asch unterbrochen, der im Glanz des Feuers plötzlich loskicherte.
Nico beachtete ihn nicht, denn er hielt den alten Mann inzwischen für sinnlos betrunken. Doch er kicherte weiter.
»Was findet Ihr so lustig?«, wollte Nico schließlich wissen; die Worte kamen ihm schleppend aus dem Mund.
Asch schaukelte vor und zurück und versuchte sich zu beherrschen, aber ein Blick auf Nicos Miene machte es nur noch schlimmer. Er zeigte mit der Kalebasse auf Nico und versuchte etwas durch das Kichern hindurch zu sagen, doch es gelang ihm zuerst nicht.
»Es ist alles verloren!«, rief er schließlich in einer spöttischen Nachahmung von Nicos jugendlicher Stimme.
Nico runzelte die Stirn; das Blut schoss ihm in die Wangen. Das Letzte, woran er jetzt erinnert werden wollte, war die Luftschiffschlacht und der Augenblick, in dem er beinahe zusammengebrochen wäre. Diese Schande musste unbedingt dem Vergessen anheimfallen.
Er öffnete den Mund und wollte dem alten Mann mit ein paar scharfen Worten Einhalt gebieten, doch Asch zeigte auf ihn und schien zu wissen, was Nico sagen wollte, was ihn zu noch größeren Lachanfällen reizte.
Vielleicht war es das Cheemfeuer, oder auch das Glitzern in den Augen des alten Mannes, in denen weder Herablassung noch Bösartigkeit lagen, denn plötzlich spürte Nico, wie er von Aschs guter Laune angesteckt wurde und die komische Seite von allem sah. Bevor er es bemerkte, lachte er ebenfalls,
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