Farmer, Philip Jose - Flusswelt 01
fünfundvierzig Jahren zurückgelassen. Tanya hatte noch einmal geheiratet und war fünfzehn Jahre später an Krebs gestorben.
Sie selbst, nicht Lev, war es, die die anderen in einem Satz über ihre Lebensgeschichte informierte.
»Auf der Ebene war in der letzten Nacht die Hölle los«, sagte Lev anschließend. »Tanya und mir blieb nichts anderes übrig, als um unser Leben zu laufen. Wir rannten in die Wälder, und ich kam zu dem Schluß, daß es besser sei, zu euch zurückzukehren und darum zu bitten, uns aufzunehmen. Ich möchte mich für mein gestriges Verhalten entschuldigen, Mr. Burton. Ich ließ mich zu den Bemerkungen aufgrund der Dinge hinreißen, die ich von Ihnen wußte, aber vielleicht wäre es besser gewesen, ich hätte mich zuerst ein wenig mit den Zusammenhängen vertraut gemacht, unter deren Eindruck Sie…«
»Lassen Sie uns darüber später reden«, sagte Burton. »Als ich dieses Buch schrieb, stand ich noch unter dem Eindruck dessen, was ich unter den Gemeinheiten und Niederträchtigkeiten der Geldverleiher von Damaskus zu erleiden hatte. Sie waren…«
»Sicher, Mr. Burton«, sagte Ruach. »Heben wir uns das, wie Sie sagten, für später auf. Ich wollte lediglich darauf hinweisen, daß ich Sie für einen fähigen Mann mit starkem Charakter halte und gern Ihrer Gruppe angehören möchte. Wir befinden uns in einem Zustand der Anarchie – wenn man Anarchie überhaupt als einen Zustand definieren kann –, und viele von uns werden Schutz benötigen.«
Es gefiel Burton nicht, wenn man ihn unterbrach. Er warf Ruach einen finsteren Blick zu und sagte: »Bitte erlauben Sie mir, daß ich Ihnen etwas erkläre. Ich…«
Frigate stand auf und sagte: »Da kommen die anderen. Ich frage mich, wo sie die ganze Zeit über gesteckt haben.«
Aber es waren lediglich vier von den neuen Menschen, die zurückkehrten.
Maria Tucci erklärte, daß sie, nachdem sie den Kaugummi probiert hatten, herumgewandert seien und schließlich bei einem der großen Feuer auf der Ebene angelangt wären. Dann war dort die Hölle losgebrochen. Es hatte schwere Kämpfe gegeben; Männer waren über die Frauen hergefallen, Männer hatten sich auf Männer, Frauen auf Frauen gestürzt, und sogar die Kinder hätte man nicht verschont. Die Gruppe hatte sich in dem allgemeinen Chaos aufgelöst. Sie selbst hatte die anderen drei erst Stunden später wieder getroffen, als sie sich bereits in den Hügeln auf der Suche nach dem Gralstein befand.
Lev fügte ihrer Erklärung noch einige Details hinzu. Je nach Gemütszustand desjenigen, der Kaugummi gekaut hatte, waren die Folgen entweder tragisch, amüsant oder erfreulich gewesen. Auf viele Menschen hatte die Droge einen lusterzeugenden Effekt ausgeübt, wenngleich dies nicht der einzige gewesen zu sein schien. So hatte es beispielsweise den Fall eines Ehepaares gegeben.
Beide, Mann und Frau, waren in Opcina, einem Vorort des Triest, im Jahre 1899 gestorben. Bei der Wiedererweckung hatten sie nur zwei Meter auseinandergelegen, waren sich in die Arme gefallen und hatten über das Glück, wieder zueinanderzufinden, vor Freude geweint. Sie hatten gemeinsam Gott für das Glück gedankt, wenngleich sie sich darüber beschwerten, daß diese Welt nicht das sei, was sie sich vom Leben nach dem Tode erhofft hatten. Aber sie hatten fünfzig Ehejahre hinter sich gebracht, also freuten sie sich darauf, von nun an bis in alle Ewigkeit zusammensein zu können.
Ein paar Minuten nachdem sie den Kaugummi in den Mund gesteckt hatten, erwürgte der Mann seine Frau, warf ihren Leichnam in den Fluß, packte eine andere Frau und verschwand mit ihr im Wald.
Ein anderer Mann war auf den Gralstein gesprungen und hatte eine Rede gehalten, wobei ihn auch der einsetzende Regen nicht zu stören schien. Er redete die ganze Nacht hindurch und erklärte den wenigen, die ihm zuhören mochten, daß er die Prinzipien einer perfekten Gesellschaft aufzustellen gedenke und wie diese in der Praxis aussähen. Als der Morgen graute, war er so heiser, daß er nicht mehr als ein Krächzen zustande brachte. Und wie sich bald herausstellte, hatte er auf der Erde zu denen gehört, die in ihrem Leben nicht einmal zur Wahlurne gegangen waren.
Ein paar Leute, die sich über das Treiben der anderen empörten, hatten versucht, die vor aller Augen sich in hektischer Aktivität paarenden Männer und Frauen auseinanderzubringen. Die Folgen: Knochenbrüche, blutige Nasen, zerschlagene Lippen und zwei Gehirnerschütterungen. Mehrere Männer
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