Farmer, Philip José - Flusswelt 02
und seinem halbfertigen Schiff geschehen; aber das war nun einmal der Preis, den er für seine Rache würde zahlen müssen.
Man versorgte die Verwundeten und verabreichte ihnen zur Linderung ihrer Schmerzen Traumgummi und Alkohol. Da die Droge nicht ausschließlich beruhigende Wirkungen hervorrief, war es unerläßlich, ihnen beides zu geben. Der Alkohol neutralisierte die gelegentlich negative Wirkung des Gummis.
Man stellte an beiden Eingängen Wachen auf, aß, trank und legte sich schließlich zur Ruhe nieder. Joe Miller war während dieser ganzen Zeit nur selten bei Bewußtsein, aber Sam nahm neben ihm Platz und versorgte ihn nach besten Kräften. Irgendwann kehrte dann Cyrano von seinem Posten an dem Geheimgang hinter dem Wasserfall zurück und meldete, daß erneut die Nacht angebrochen sei. Mehr über den derzeitig draußen herrschenden Zustand konnte er allerdings nicht berichten: Das Rauschen der herabfallenden Wassermassen hatte verhindert, daß er irgend etwas anderes hätte hören können.
Lothar und Sam hatten die wenigsten Verwundungen davongetragen, deswegen entschied Sam, daß sie beide durch den Wasserfall hinausgehen und die Lage erkunden sollten. Cyrano protestierte, weil man ihn für dieses Unternehmen nicht mitberücksichtigt hatte, aber Sam wischte seinen Einwand beiseite. Livy schwieg, aber sie warf ihm einen dankbaren Blick zu. Sam wandte sich ab. Er wollte keinen Dank dafür, daß er ihren Gefährten aus der Gefahr heraushielt.
Er fragte sich, ob Gwenafra umgekommen oder gefangengenommen worden war. Lothar hatte sie während des letzten Angriffs untertauchen sehen. Er war ihr zwar ein Stück gefolgt, war jedoch bald darauf von der Angriffswelle zurückgetrieben worden. Nun machte er sich Vorwürfe, weil er nicht mehr getan hatte, obwohl sich das sicher als aussichtslos erwiesen hätte.
Sie schwärzten ihre Gesichter und kletterten dann an eisernen Leitersprossen in den Schacht. Die Wände waren feucht und die Sprossen schlüpfrig, aber zumindest gab es hier Licht.
Sie traten hinter dem Wasserfall ins Freie hinaus und folgten einem Grat, der sich an der unteren Hälfte der Staumauer entlangzog, bis er zwanzig Yards von ihrem Ende plötzlich aufhörte. Auch hier gab es eiserne Sprossen, die in die Tiefe führten. Als Sam und Lothar unten angekommen waren, marschierten sie am Rande des ausgehobenen Kanals entlang, den man mit ungeheuren Mühen dem harten Boden abgerungen hatte. Immer noch wucherten die Graswurzeln aus den Kanalwänden hervor. Sie reichten tiefer in die Erde als jeder Spatenstich, und es war beinahe unmöglich, sie zu vernichten.
Im Licht der vielen Sterne und leuchtenden Gaswolken kamen sie verhältnismäßig rasch voran. Sie ließen den Kanal hinter sich und strebten im rechten Winkel der Ruinen von Johns Palast entgegen. Sie nutzten den Schatten eines gewaltigen Eisenbaumes aus, schlichen sich an den Rand des nächstliegenden Hügels und warfen von dort aus einen Blick auf die tief unter ihnen liegende Ebene. An den Hütten konnten sie Männer und Frauen erkennen, Sieger und Besiegte. Hin und wieder erklang ein lauter Schrei. Sam schüttelte sich und versuchte diese Rufe aus seinem Bewußtsein zu verdrängen. Obwohl sein erster Impuls war, daß er hinuntereilen müsse, um den Frauen beizustehen, redete er sich ein, Parolando damit keinen großen Dienst zu erweisen: Er zweifelte nicht daran, daß eine solch unüberlegte Aktion unweigerlich mit ihrer Festnahme oder ihrem Tod enden würde.
Und doch: Hätte Gwenafra zu den Mißhandelten gehört, wäre er hinuntergelaufen, um sie herauszuhauen – oder nicht?
Die Feuer der Essen und Hochöfen loderten noch immer. In den Fabrikationshallen konnte man Männer und Frauen bei der Arbeit sehen. Offenbar hatte Hacking seine neuen Sklaven bereits unter der Knute. Zwischen den Gebäuden bewegten sich Wächter dahin, die sichtlich betrunken waren.
Soweit man das Gelände überschauen konnte, brannten zwischen den Gebäuden große Feuer, die von Menschen umringt waren, die lachten und tranken. Hin und wieder verschwand jemand mit einer schreienden und sich wehrenden Frau im Schatten. Andere brauchten nicht erst dazu gezwungen werden.
Schließlich gingen Sam und Lothar – als gehörten sie zu den Siegern – ins Tal hinunter, wobei sie es jedoch tunlichst vermieden, den Häusern oder Feuern zu nahe zu kommen. Obwohl sie mehrmals auf Patrouillen stießen, hielt niemand sie an. Der größte Teil der Invasionstruppen schien vollauf
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