Farmer, Philip José - Flusswelt 02
einzige Alternative darin bestand, daß Joe sein Schiff mit Mann und Maus versenkte, wenn er dessen Wünschen nicht entsprach. Aber jedes Mal, wenn Joe darauf zu sprechen kam, erklärte der Häuptling ihm, wie schade es doch sei, daß er ausgerechnet jetzt, wo er so großartige Fortschritte machte, seinem Bildungsprozeß ein Ende setzen wollte. Bisher sei Joe kaum mehr als ein Tier gewesen, obwohl er das Gesicht des Gottes der Weisheit trage – bald aber würde er ein Mensch sein.
Tier? Gott? Mensch?
Was bedeutet das?
Die Reihenfolge stimme nicht, hatte ihm der Häuptling der Zwerge erklärt. Die richtige gehe so: Tier, Mensch, Gott. Und außerdem gebe es noch die Möglichkeit, daß sich ein Gott hinter der Maske einer reißenden Bestie verberge und ein Mensch sich zum Tier zurückentwickele; daß er einmal ein Mensch und ein anderes Mal ein Tier darstelle.
Das war natürlich ein wenig kompliziert für das grobgerasterte Bewußtsein Tehutis. Er hatte sich daraufhin mit einem nachdenklichen Blick ans Ufer gekniet und darüber nachgedacht.
Was ihm dabei klargeworden war, war folgendes: Wenn er die Zwerge verließ, würde es für ihn weder Zigarren noch je wieder Bier geben. Die Leute, die dieses Land beherrschten, waren zwar von seiner Art, gehörten aber einem anderen Stamm an. Vielleicht würden sie ihn töten. Des weiteren hatte Joe zum ersten Mal in seinem Leben so etwas wie eine intellektuelle Stimulation erfahren. Sein Bewußtsein hatte sich verändert, und damit würde es aus sein, wenn er wieder zu den Titanthropen zurückkehrte.
Also schaute er den Zwergenhäuptling an, zwinkerte ihm zu, grinste, schüttelte den Kopf und teilte ihm mit, daß er auf seinem Schiff bleiben würde. Er übernahm seinen Dienst am Ruder und machte sich klar, daß von all den Dingen, die er gelernt hatte, das wunderbarste die Sprache war: in der man das ausdrücken konnte, was man dachte. Bald beherrschte er die der Zwerge fließend. Er griff nach allem, was der Häuptling ihm erzählte, und saugte die Informationen in sich auf wie ein trockener Schwamm das Wasser – auch wenn manche Dinge ihn schmerzten wie ein Griff mit der bloßen Hand in einen Dornenbusch. Wenn ihm eine Idee gefiel, betrachtete er sie von allen Seiten, verfolgte sie bis zum Geht-nicht-mehr, verarbeitete sie und holte sie, wenn er gerade nichts Besseres zu tun hatte, Dutzende von Malen wieder aus seinem Gedächtnis hervor. Und schließlich verdaute er sie und zog seinen Nutzen daraus.
Der Fluß rauschte an ihnen vorbei. Sie ruderten und ruderten – stets in der Nähe des Ufers bleibend, wo die Strömung am schwächsten war. So verbrachten sie Tage und Nächte, bis die Sonne weniger hoch am Himmel stand und die Luft kälter wurde.
Sam sagte: »Joe und die anderen sind dem Nordpol ziemlich nahe gekommen. Die Inklination des Äquators dieses Planeten zur Ekliptik ist gleich Null. Wie wir wissen, gibt es hier keine Jahreszeiten; Tag und Nacht haben die gleiche Länge. Aber Joe hatte einen Punkt erreicht, von dem aus die Sonne ständig zur Hälfte oberhalb und zur Hälfte unterhalb des Horizonts zu sehen gewesen wäre, hätten nicht die Berge dazwischen gestanden.«
»Ja. Ef herrfte immer F-f-wielicht. Mir wurde kalt, aber noch längft nicht fo kalt wie den anderen. Fie haben fich beinahe die Ärfe abgefroren.«
»Joes Körper strahlt seine Wärme viel langsamer ab als unsere Zwergengestalten«, sagte Clemens.
»Alfo bitte«, sagte Joe. »Foll ich nun weitererfählen oder beffer meinen Mund halten?«
Lothar und Sam grinsten ihn an.
Joe fuhr fort:
Der Wind verstärkte sich und die Luft wurde neblig. Er begann, sich unwohl zu fühlen. Am liebsten wäre er umgekehrt, aber andererseits wollte er nicht den Respekt des Zwergenhäuptlings verlieren. Also bereitete er sich darauf vor, jeden Zoll des Weges zurückzulegen wie die anderen, auf daß es sie ihrem unbekannten Ziel näher brachte.
»Du wußtest gar nicht, wo die anderen hinwollten?« fragte Lothar.
»Nicht genau. Foweit ich weif, wollten fie fu den Quellen def Fluffef, weil fie glaubten, daf dort vielleicht die Götter lebten, die fie in daf wirkliche Paradief einlaffen würden. Ihrer Anficht nach konnte diefe Welt nicht die wirkliche Welt, in die man nach dem Tode kommt, fein. Fie hielten fie nur für einen Fteg inf Paradief. Waf immer fie fich auch darunter vorgefteilt haben mögen.«
Eines Tages vernahm Joe ein Geräusch, das aus weiter Ferne zu ihnen herüberdrang und sich wie ein gigantischer,
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