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Farmer, Philip José - Flusswelt 02

Farmer, Philip José - Flusswelt 02

Titel: Farmer, Philip José - Flusswelt 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Auf dem Zeitstrom
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letzten Arbeiten an der Staumauer, die darin bestanden, daß die Männer einige absichtlich in die Mauer eingebrachte Vertiefungen mit Sprengstoff füllten. Er verfolgte damit die Absicht, in jedem Fall einer Gefahr – und dabei dachte er an eine feindliche Invasion – noch einen letzten Trumpf im Ärmel zu haben, auch wenn dieser möglicherweise selbstmörderisch aussah.
    Schließlich rannte von Richthofen auf ihn zu. Er keuchte und schwitzte und berichtete von den unfreiwilligen Emigranten und deren Entschluß, hier bleiben zu wollen. Von John sagte er nichts.
    Sam beauftragte Lothar, den Chancisten zu sagen, daß er gegen Abend zu ihnen hinunterkommen würde. Sie sollten auf ihn warten, aber bloß nicht auf die Idee kommen, sich weiter als zwanzig Yards von dem Gralstein zu entfernen, an dem sie angelegt hatten. Einen Moment lang spielte er sogar mit dem Gedanken, sie auf der Stelle des Landes zu verweisen und es seinen Männern zu erlauben, sie ein wenig mit den Spitzen ihrer Schwerter zu kitzeln, um dieser Aufforderung Nachdruck zu verleihen, und das lag nicht nur daran, weil er gerade mit Zementstaub bedeckt war und unter der Hitze litt, sondern er konnte die Chancisten tatsächlich nicht ausstehen. Nun befand sich die Menschheit zum ersten Mal in einer Welt, in der sie weder Fliegen noch Moskitos störten – und schon strömten die Prediger zusammen, um diese Lücke zu füllen.
    Das Rumpeln und Quietschen der gewaltigen Zementmischmaschinen, der Lärm der Hammerschläge, die schabenden Geräusche zahlloser Schaufeln und das Geklapper der eisernen, mit Holzrädern versehenen Schubkarren verhinderten zudem, daß die krachenden Explosionen, die eine halbe Stunde später die Ebene erzittern ließen, überhaupt an sein Ohr drangen. Er wußte nichts von dem, was geschehen war, und erfuhr es erst, als von Richthofen erneut zu ihm heraufeilte.
    Es kam über ihn wie ein Blitz aus heiterem Himmel. John Lackland hatte die neuen Pistolen an den Chancisten ausprobiert. Einhundert Mark-I-Waffen hatten beinahe fünfhundert Männer und Frauen innerhalb von drei Minuten vom Leben zum Tode befördert. John selbst hatte zehnmal nachgeladen und seine Pistole abgefeuert; mit den letzten fünf Kugeln hatte er sogar auf Verwundete angelegt.
    Etwa dreißig Frauen – und zwar die allerschönsten – hatte er verschont. Man hatte sie in seinen Palast gebracht.
    Noch ehe er das Flußufer erreichte, sah Sam aus der Ferne die Menschenmenge, die sich in der Umgebung des Gralsteins versammelt hatte. Er schickte Lothar voraus, der ihm den Weg freimachen sollte. Die Menge teilte sich vor ihm, wie einst das Rote Meer vor Moses, aber sie schloß sich wieder hinter ihm, bevor er ihr Ende erreicht hatte. Man hatte die Leichen inzwischen nebeneinander aufgereiht. Überall war Blut, zerfetztes Fleisch. Die großkalibrigen Kugeln hatten zahlreichen Opfern die Knochen zerschmettert. In den siebenundneunzig Jahren seines Lebens war Sam der Tod niemals in einer solchen Stille begegnet. Er schien über ihnen zu schweben wie eine unsichtbare, furchteinflößende Wolke. Der Mund, der nie wieder sprechen würde, das Bewußtsein, das nicht mehr dachte…
    Nicht einmal der Gedanke, daß diese Leute am nächsten Tag wieder an anderer Stelle zu einem neuen Leben erwachen würden, konnte ihm Erleichterung verschaffen. Die Betroffenheit, die der Tod hervorrief, konnte auch nicht dadurch abgeschwächt werden, daß man ihn intellektualisierte.
    John war bereits dabei, Anweisungen zu geben, wie mit den Leichen zu verfahren war: Nachschub für die Seifen- und Hautverwertungsstellen. Als Sam sich ihm näherte, grinste er wie ein Schuljunge, der nichts Schlimmeres getan hat, als einer Katze eine Blechdose an den Schwanz zu binden.
    »Das war ein Massaker!« schrie Sam. »Ein Massaker! Überflüssig und unentschuldbar! Dafür war nicht der geringste Grund vorhanden, du blutrünstiges Ungeheuer! Und etwas anderes bist du nie gewesen, du ekelhafte Ratte! Du Schwein! Schwein! Schwein!«
    John gefror das Lächeln auf den Lippen. Als Sam mit geballten Fäusten näher kam, tat er einen Schritt zurück. Der riesenhafte, starkknochige Zaksksromb stellte sich Sam in den Weg. Er hielt einen überdimensionalen, am Ende mit funkelnden Eisenspitzen bewehrten Knüppel in der Hand.
    Lothar von Richthofen schrie plötzlich: »He, du – verschwinde! Wenn du nicht sofort einen Rückzieher machst, rufe ich Joe Miller! Und der erste andere Mann, der Sam aufzuhalten versucht, kriegt

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