Farmer, Philip José - Flusswelt 05
inzwischen viertausend geworden waren. Die Straßen waren voller Tänzer und Parademarschierer in fremdartigen Kostümen. Es erinnerte eher an Mardi Gras als an die Weihnachtszeit. Fünf Bands spielten fünf verschiedene Musikarten, Ragtime, Dixieland, Hot Jazz, Cool Jazz und Spirituals. Dutzende von Hunden liefen bellend herum.
Die Gruppe bahnte sich einen Weg durch die Menge, während man ihnen Schnapsflaschen, Zigaretten, Marihuana und Haschisch aufdrängte. Man konnte den Fusel- und Grasgeruch schneiden, und die meisten Feiernden hatten rote Augen.
Turpin, noch immer in seinem Weihnachtsmann-Aufzug, stand auf der Vordertreppe seines gewaltigen Hauptquartiers aus rotem Ziegelstein, um sie willkommen zu heißen. »Die Joints jucken, die Jungs jubeln, und der Jazz jubiliert!« rief Turpin. »Laßt’s knallen, Brüder und Schwestern!« Frigate war der einzige, der wußte, was er meinte. Er streckte die Hand aus, und Turpin schlug ein. »Recht so, Bruder!«
Während die anderen seinem Beispiel folgten, erklärte Frigate Burton, daß einige Schwarze aus dem späten zwanzigsten Jahrhundert hier wiederbelebt worden sein mußten. Die fremdartige Begrüßung kam aus dieser Ära.
»Das meinte er, als er sagte, es gäbe ‘ne Menge Schnee zum Weihnachtsfest«, sagte Frigate und deutete auf zwei Schwarze, die auf den Stufen saßen und starr geradeaus blickten. »Sie müssen Heroin genommen haben. Volkstümlich auch Schnee.«
Turpin war schon aufgedreht, aber seine gute Laune entsprang nicht dem Alkohol. Seine Augen waren klar, und er sprach kein bißchen lallend. Alle anderen waren vielleicht besoffen und mithin verwundbar, aber nicht der clevere Tom.
Sie betraten das Rosebud und gingen ins Vestibül, das fast so groß war wie die Grand Central Station. Dort hielt sich eine große Menschenmenge auf, und hinter zwanzig langen Bars aus abgeschliffenem Mahagoni oder Gold servierten weißhäutige Androiden im Smoking den Gästen Drinks. Um Turpin zu folgen, mußte Burton über zahlreiche bewußtlose Männer und Frauen steigen. Er führte sie zu einem großen Fahrstuhl und in die dritte Etage. Sie gingen in ein Büro, von dem Alice sagte, es sähe aus wie der Empfangsraum des Buckingham-Palastes.
Tom bat sie, Platz zu nehmen. Er stand vor einem sechs Meter langen Schreibtisch und ließ die Blicke seiner braunen Augen über sie gleiten, bevor er sprach.
»Ich bin der Boß«, sagte er, »und ich leite diesen Ort, als sei’s eine Eisenbahn und ich der Zugführer. Das muß ich auch. Aber die Leute haben ihren Spaß. Die meisten von ihnen sind ziemlich anständig. Sie benehmen sich, wie sie sich benehmen sollten, überschreiten nicht die Grenzen, die ich für sie gezogen habe.
Die Sache ist nur, ich weiß, daß ein paar von ihnen gern der Boß hier wären, und die hab ich im Auge. Der Computer erledigt das für mich. Ärgerlich ist nur, daß ich die meisten Leute hier gar nicht ausgesucht habe. Ich habe die Vergangenheit jeder Person studiert, die ich wiederbelebt habe. Aber ich konnte damit nicht rauskriegen, wen sich die Leute aussuchen würden, die ich ausgesucht habe.
Außer denen, die gern auf meinem Thron sitzen würden, gibt’s hier zwei verschiedene Arten von Leuten. Die meisten lassen es sich einfach gut gehen - auf der Erde waren sie Huren, Zuhälter und Musiker. Aber ein paar andere sind Kirchenleute, Heiligenschlepper, Chancisten oder Neu-Christen. Sie machen einen Höllenaufstand wegen der anderen, und die anderen machen einen Höllenaufstand, weil sie sich einmischen.«
»Warum schaffst du sie dir nicht einfach alle vom Hals und fängst von vorn an?« sagte Sternenlöffel.
Burton war überrascht. Sie ergriff selten das Wort, wenn sie nicht direkt angesprochen oder um ihre Meinung gebeten wurde. Überdies war die Frage seltsam und stimmte nicht mit dem überein, was er von ihrem Charakter zu wissen glaubte.
Turpin hob abwehrend die Hände.
»Wie könnte ich das?«
»Es muß doch Möglichkeiten geben. Der Computer…«
»Ich bin doch kein Massenmörder! Ich war vielleicht in meiner Zeit ein ganz schön harter Bursche, aber ich werde doch nicht um des lieben Friedens willen all diese Leute niedermetzeln. Außerdem habe ich etwas zu tun, wenn ich sie unter Kontrolle halten muß.«
Er grinste. »Zeit, sie von der Straße und ins Rosebud zu holen«, sagte er. »Wir wollen hier ‘ne Party schmeißen, und es ist nicht einfach, sie geordnet herzuführen.«
Er trat an die Wand hinter dem Schreibtisch und sagte
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