Farmer, Philip José - Flusswelt 05
Rehleder mit einer breiten, wolfskopfverzierten Silberschnalle, enge weiße Rehlederhosen und weiße, bis an die Knie reichende Stiefel aus dem gleichen Material vervollständigten seinen Aufzug. Sein Gesicht war breit und wies hohe Wangenknochen auf, und seine Nase war groß, lang und adlerähnlich. Abgesehen von seinen vorgestülpten Lippen und dem krausen Haar sah er eher wie Sitting Bull aus als wie ein Neger. Als er lächelte, wirkte er auf schroffe Weise stattlich.
Er stellte sich mit einem normalen Handschlag vor und verkündete mit vollem Baß, er sei Bill Williams und erfreut, Captain Sir Richard Francis Burton kennenzulernen. Burton war sich nicht sicher, ob die Verwendung seines Titels eine Provokation war.
»Tom Turpin hat mich nicht dazu abgestellt, Ihren vertrauenswürdigen indianischen Führer und Leibwächter zu spielen«, sagte er grinsend. »Ich habe mich freiwillig gemeldet.«
»Oh?« sagte Burton und zog die Augenbrauen hoch. »Darf ich nach dem Grund fragen?«
»Das dürfen Sie. Ich habe von Ihnen gelesen; Sie faszinieren mich. Außerdem hat Turpin mir davon erzählt, wie sie ihn und die anderen über die Berge zum Turm geführt haben.«
»Ich bin geschmeichelt«, sagte Burton. »Trotzdem muß ich mit Ihnen noch ein kleines Hühnchen rupfen. Warum haben Sie mich mit Ihrem Motorrad beinahe überfahren?«
Williams lachte. »Hätte ich es versucht, stünden Sie jetzt nicht hier.«
»Und das Pejorativum?«
»Ich fühlte mich einfach danach. Das Motorradfahren bringt meine Niederträchtigkeit zutage. Außerdem wollte ich Ihren Charakter testen. Ich habe es nicht persönlich gemeint.« »Es freut Sie, wenn Sie die bösen Weißen ärgern können?«
»Manchmal. Wenn Sie wirklich objektiv sind, werden Sie es mir nicht vorwerfen.«
»Haben siebenundsechzig Jahre am Fluß Ihre Einstellung gar nicht gewandelt?«
»So etwas kann man nie abschütteln. Ich lasse mich aber davon nicht stören. Es ist wie ein dumpfer Zahnschmerz, an den man sich gewöhnt hat«, sagte Williams. »Möchten Sie etwas trinken?«
»Weißwein. Die Sorte spielt keine Rolle.«
Burton hatte den Entschluß gefaßt, nüchtern zu bleiben.
»Gehen wir in eins der Zimmer oben. Dort ist es ruhiger, und wir brauchen nicht zu schreien, um uns verständlich zu machen.«
»Na gut«, sagte Burton und fragte sich, was Williams vorhatte.
Gemeinsam mit lachenden, schreienden und kichernden Menschen stiegen sie in den Fahrstuhl. Auf dem Weg nach oben gab es Protestschreie, als die Passagiere einander betatschten. Noch vor dem zweiten Stock ließ jemand eine Blähung ab, und es gab teils amüsierte, teils wütende Rufe. Als sich die Türen öffneten, wurde der Beschuldigte bäuchlings auf den Gang hinausgeworfen.
»Alle fühlen sich gut, wirklich gut«, murmelte Williams. »Das wird sich aber noch ändern. Sind Sie bewaffnet?«
Burton schlug auf seine Jackentasche.
»Strahler.«
Die Räume, an denen sie vorbeikamen, waren - bis auf einen - voller Menschen und Lärm. Hier saßen ein Dutzend Männer und Frauen und betrachteten einen Film auf einem Wandbildschirm. Burton blieb neugierig stehen, um einen Blick in den Raum zu werfen. Es war ein Film, den Frigate ihm einst empfohlen hatte; die Schauspieler Laurel und Hardy verkauften im Juli in Los Angeles Weihnachtsbäume. Die Zuschauer lachten schallend.
»Es sind Neu-Christen«, sagte Williams. »Ruhige, harmlose Leute. Sie konnten Turpins Einladung nicht ausschlagen, so höflich sind sie. Aber mit dem, was sich hier abspielt, wollen sie wohl nichts zu tun haben.«
Weit den Gang hinab, um die Ecke herum, fanden sie ein leeres Zimmer. Unterwegs bewunderte Burton zahlreiche Reproduktionen von Ölgemälden: Rem-brandt, Rubens, Davids »Tod von Murat«; dazu viele Russen: Kiprensky, Suri-kow, Iwanow, Repin, Lewitan und andere.
»Warum so viele Slawen?« fragte er.
»Es gibt einen Grund dafür.«
Aus einem Konverter holten sie sich Drinks. Burton nahm Platz und zündete sich eine Zigarre an.
»Wissen Sie, ich bin kein Amerikaner«, sagte Williams nach einer Weile des Schweigens.
Burton paffte Rauch aus. »Sie hätten mich getäuscht«, sagte er, »wenn Turpin mir nicht verraten hätte, daß Sie Russe sind.«
»Ich wurde 1949 als Rodion Iwanowitsch Kasna im schwarzen Getto von Kiew geboren.«
»Erstaunlich«, sagte Burton. »Ich wußte nicht, daß es in Rußland Neger… nein, das nehme ich zurück. Es gab ein paar schwarze russische Sklaven. Puschkin stammte von einem ab.«
»Sehr
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