Farmer, Philip José - Flusswelt 05
Reihe war. Sein stattliches, irgendwie mephistophelisch wirkendes Gesicht lächelte.
»Ja, ich freue mich, dich als Gast zu haben. Ich habe eine Überraschung für dich.«
Li Po drehte den Kopf zur Seite und sagte etwas auf Chinesisch.
Ein weiteres Gesicht erschien neben ihm. Burton prallte erschreckt zurück. Es war das Gesicht einer Fremden, einer wunderschönen chinesischen Frau.
13
Einige Männer und Frauen scheinen Dampflokomotiven zu ähneln, die stetig auf ihren Schienen tuckern, bergauf etwas langsamer (aber gleichmäßig) fahren und bergab im Leerlauf rollen. Andere sind wie Autos mit Verbrennungsmotoren, die andere Wege nehmen, aber dann und wann kein Benzin mehr haben und neu aufgetankt werden müssen.
Li Po schien eine Rakete mit einem unerschöpflichen Treibstoffvorrat zu sein. Er explodierte ständig, wirbelte hier und da herum, geräuschvoll, manchmal anstößig, ließ einen aber ständig wissen, daß er nicht übersehen werden wollte. Seine Gesichtsausdrücke und Gesten erinnerten Burton an die letzte Stanze in Coleridges Kublai Khan:
Und alle ruft, Habt acht! Habt acht! Diese Augen! Dieser Haare Pracht! Wendet ab euren Blick gewiß, Stoßt ihn zurück in seinen Bau. Er nährte sich von Honigtau Und trank die Milch des Paradies’!
Li Po, auch bekannt als Li T’ai-Po und Tai-Peng, war 701 n. Chr. in der Oasenstadt Yarkand geboren worden. Zur Zeit seiner Geburt gehörte das gewaltige Wüstengebiet zu keinem der chinesischen Königreiche. Yarkand lag auf der Handelsroute zwischen Persien und China, und Li Pos Ururgroßvater war von China dort hingekommen. Laut der Familienchronik war er aus irgendeinem politischen Grund in die Verbannung geschickt worden. Er nahm seine Frau und seine Kinder mit, und sein ältester Sohn heiratete eine Türkisch sprechende Frau, eine Uigur. Deren ältester Sohn hatte eine Chinesin geheiratet; der zweite Sohn aus dieser Ehe hatte eine Afghani-Uigur zur Frau genommen.
Die Familie war zu einigem Wohlstand gelangt, und fünf Jahre nach Li Pos Geburt zog sie in die südwestchinesische Provinz Setschuan. Sie ließen sich in einer Stadt nieder, die viele Fremde beherbergte, Zoroastrische Perser, Hindus, Juden, Nestorianische Christen und Moslems aus Persien, Afghanistan und dem mesopotamischen Raum. Li Po waren all diese Sprachen geläufig, und später fügte er seinen Kenntnissen noch Koreanisch und etwas Japanisch hinzu.
Er maß über einen Meter und achtzig, eine Größe, zu der ihm sein fremdes Blut verhelfen hatte. Schon in frühen Jahren fing er an, Gedichte zu schreiben und Wein zu trinken. Obwohl er in seinem späteren Leben als großer Trunkenbold bekannt wurde, verachtete man ihn deswegen nicht. Übermäßiger Alkoholgenuß war in der Oberklasse allgemein üblich; Schnaps wurde für ein Hilfsmittel gehalten, das Tor zur göttlichen Inspiration zu öffnen. Die Schnelligkeit, mit der er in betrunkenem Zustand Gedichte schreiben konnte, verblüffte seine Zeitgenossen. Seltsamerweise waren viele seiner Gedichte gut genug, um ihn zum bedeutendsten Dichter Chinas werden zu lassen.
Als er über zwanzig war, fing er an, umherzustreifen, wie viele chinesische Dichter, Staatsmänner und Künstler. Eine Zeitlang wurde er zum fahrenden Ritter, zu einem Wanderer, der versuchte, mit dem Schwert Unrecht abzuwehren. Während dieser Zeit tötete er bei Duellen mehrere Ritter und war allgemein als der Teufelskerl mit der Klinge bekannt. Einmal war er festgenommen worden, weil er während eines Streits in einem Gasthaus einen Mann getötet hatte. Er war jedoch geflohen, bevor ein Urteil gesprochen werden konnte.
Und doch war er sehr belesen und hatte - unter anderem - das physikalische und chemische Wissen seiner Zeit studiert.
In vieler Hinsicht war er nicht nur der Byron, sondern auch der Burton seines Zeitalters. Wie Burton hatte auch er sich überall herumgetrieben, ein Gelehrter und exzellenter Fechter, politisch uninteressiert, alle Arten des Leidens verabscheuend, in vielen Sprachen gewandt und nicht besonders diskret oder höflich.
Im Gegensatz zu den meisten Chinesen hatte er Mitleid mit der sklavenähnlichen Knechtschaft und den Leiden der chinesischen Frauen. Was ihn jedoch nicht daran hinderte, die Gegebenheiten auszunutzen. Selbst wenn man seine Prahlerei in Betracht zog, war er von außergewöhnlicher Mannhaftigkeit gewesen. »Drei Frauen gleichzeitig sind nicht genug!«
Nach seinen Tagen als fahrender Ritter hatte er eine Zeit lang mit einem Einsiedler
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