Farmer, Philip José - Flusswelt 05
Fiction-Roman. Sie ließ ihm auch bewußt werden, daß er tief in seinem Inneren noch immer glaubte, die Menschheit könne sich nur selbst erlösen. Es würde kein Erlöser aus dem Himmel oder von einem anderen Planeten kommen, um die Menschheit ins Paradies zu führen.
»Ich hatte unrecht und doch recht«, hatte Frigate gesagt. »Unsere Erlösung war die synthetische Seele, aber sie wurde von einer außerirdischen Spezies erfunden.«
»Diese Seele, das Wathan, ist nicht unsere Erlösung«, hatte Nur gesagt. »Sie ist nur ein Mittel zum Zweck. Die Erlösung muß immer noch aus uns selbst kommen.«
Die Wissenschaft und der religiöse Antrieb hatten die Flußwelt und das Wathan gemeinsam geschaffen, aber damit kam man nur bis an eine gewisse Stelle. Hatte man diesen Punkt erreicht, verblich die Wissenschaft wie ein Sonnenuntergang, und die Metaphysik übernahm.
In der Zwischenzeit mußte man eine Sekunde nach der anderen leben, sich mit dem Zeitstrom bewegen. Ob es einem gefiel oder nicht, man mußte schlafen, essen, Exkremente ausscheiden und, wie Burton sagte, sein Ich mit angemessener Rücksicht auf die anderen kultivieren. Man konnte Fragen stellen, aber wenn man die Antwort nicht sofort erhielt, konnte man darauf hoffen, daß man sie später erhalten würde.
Frigate wurde Sternenlöffel vorgestellt und unterhielt sich eine Weile mit ihr, obwohl er einige Schwierigkeiten hatte, sie zu verstehen. Sie sprach Esperanto, aber da sie in einer Gegend gelebt hatte, die hauptsächlich von Chinesen des achten Jahrhunderts n. Chr. und italischen Sabinern des fünften Jahrhunderts v. Chr. bewohnt worden war, wies ihr Esperanto viele unbekannte Lehnworte auf. Nach einer Weile entschuldigte Frigate sich und kehrte in sein Quartier zurück. Wie Burton war er besorgt, weil Li Po seine Gefährten wegen Sternenlöffel nicht konsultiert hatte. Die Gruppe brauchte wirklich neue Mitglieder; acht reichten nicht aus, um ihr die Vielfalt und Frische zu geben, die sie dringend benötigte. Wegen der Mühsal, die sie auf dem Weg zu ihrem Ziel erlitten hatten, standen sie einander zwar sehr nahe, aber die Vertrautheit hatte sie auch zu einer Familie werden lassen, und wie die meisten Familien gingen sie einander manchmal auf die Nerven und stritten über Belanglosigkeiten. Mit der Ausnahme Nurs.
Frigate hielt es für richtig und für nötig, andere Menschen auferstehen zu lassen. Aber sie sollten sorgfältig ausgesucht werden. Sie brauchten keine Unruhestifter.
Li Po hatte die Schleusen geöffnet. Die anderen aus der Gruppe würden ihre eigenen Toten zurückholen wollen, und es gab - im Moment wenigstens - keine Begrenzung der Zahl, die wiederbelebt werden konnte, noch irgendeine Vorbedingung, die man für ein Wiedererwecken stellen konnte.
Burton empfand wie Frigate, und die meisten anderen dachten zweifellos ähnlich. Und doch war er so gut wie hilflos, wenn es darum ging, diese Individualisten im Zaume zu halten. Er war tapfer, stark und verwegen, aber er war kein guter Führer, außer in Situationen, die nach sofortigen und durchschlagenden Aktionen verlangten. Er war ganz einfach kein Verwalter für Friedenszeiten.
Nur el-Musafir sollte derjenige sein, dem die Gruppe nun folgen und gehorchen sollte, aber er hatte sich nicht für das Amt zur Verfügung gestellt und würde es wahrscheinlich auch nicht. Von ihnen allen war er der weitsichtigste. Er wußte, daß niemand das unausweichliche Abdriften in die Anarchie in den Griff bekommen würde.
15
Burton sah, wie schockiert Sternenlöffel war, als ein Bildschirm ihre Geburt abspielte. Er hatte zwar damit gerechnet, daß sie betroffen sein würde, war jedoch überrascht, wie stark sie darauf reagierte. Wie die meisten Menschen westlicher Kulturen hielt er die Chinesen für eine Nation mit strenger Selbstkontrolle, für »unergründliche Orientalen«. Li Po war kaum zurückhaltend, eher schon manisch, aber er war auch die Ausnahme, die die Regel bestätigte. Burton nahm Li Po zur Seite und sprach mit ihm darüber. Der Chinese lachte laut. »Vielleicht waren die Chinesen deiner Zeit wirklich ausdruckslos - in Gegenwart von Fremden oder in bedrohlichen Situationen. Aber Sternenlöffel und ich gehören dem an, was ihr das siebente Jahrhundert nennt. Glaubt ihr, wir wären so wie die Chinesen eurer Zeit? Wir gleichen ihnen so wenig, wie die Engländer des siebenten Jahrhunderts denen deiner Epoche gleichen.«
»Ich bin hinreichend zurechtgewiesen und getadelt worden«, sagte
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