Fast ein bisschen Frühling - Capus, A: Fast ein bisschen Frühling
Zeitungen ab. Es ist die Wirtin Johanna Furrer, die an der Herbergsgasse eine kleine Pension führt. Sie trägt ihre Körbe nach Hause und sieht nach dem Mittagessen, das auf dem Herd kocht. Jetzt ist gerade noch Zeit, das Zimmer der zwei Deutschen zu besorgen, die immer so lange schlafen und ganze Nachmittage hindurch Schallplatten abspielen.
»Als ich eintrat, standen die Deutschen in Hose und Unterhemd und rauchten Zigaretten. Ich frug sie, ob sie schon gehört hätten, was heute Morgen passiert war. Nein, was denn, sagte der Größere, worauf ich von dem stattgefundenen Banküberfall berichtete. Beide drückten ihre Abscheu vor der Tat und den Tätern aus. In ihrem Zimmer fielen mir zwei große, mit braunem Packpapier verschnürte Pakete auf, die am Abend zuvor noch nicht da gewesen waren. Um 12 Uhr erschienen beide Deutsche im Speisezimmer und nahmen nebst anderen Pensionären das Mittagessen ein. Während des Essens wurde von den Anwesenden heftig über den vorgefallenen Raubüberfall disputiert. Die beiden haben sich aber am Gespräch nicht beteiligt, sondern unterhielten sich nur gegenseitig.«
Als Johanna Furrer den Kaffee aufträgt, sind die zwei Deutschen verschwunden. Der Zimmerschlüssel hängt am Nagelbrett. Die zwei Pakete gehen ihr nicht aus dem Sinn. Schlampig geschnürte Pakete waren das, und doch lagen sie so wichtig mitten im Zimmer. Sie nimmt den Schlüssel und geht die Treppe hoch. »Die Pakete lagen weder auf dem Fußboden noch auf dem Tisch, noch auf einem der beiden Stühle. Im Kleiderschrank lagen nur zwei Koffer und der Kasten mit dem Grammophon, die aber alle abgeschlossen waren. Ob die Pakete Regenmäntel enthielten, vermag ich deshalb nicht zu sagen, von der Größe her könnte es sein. Ich habe die zwei Deutschen aber nie in Regenmänteln gesehen, immer nur in Tweed-Mänteln. Für mich war an den beiden auffallend, dass sie immer beieinander waren. Schon bei der Anmeldung hatten sie nur 1 Hausschlüssel verlangt, weil sie immer beieinander seien. Merkwürdig war auch, dass sie selten im Zimmer Licht hatten, auch wenn es Nacht war, und dass sie dauernd Musik auf ihrem Grammophon abspielten, meistens Tango. Wenn es deutsche Lieder waren, sang einer manchmal mit, ich glaube, es war dies der Große.«
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Auf dem Kommandoposten der Stadtpolizei gibt zur selben Zeit der Eigentümer des blauen Ford eine Diebstahlanzeige auf. Seinen Wagen hat er zwar wieder, nachdem der Erkennungsdienst die Spuren gesichert, der Fotograf seine Aufnahmen gemacht und der Mechaniker das Zündschloss repariert hat. Aus dem Auto verschwunden sind aber:
»1 Zündschlüssel No. 1013 A; 3 Tuben Rasiercrème Marke ›Sibo‹; 2 Hornbrillen, die eine mit dunkelgelben rundlichen, die andere mit grünlichen Gläsern; 1 Brillenetui aus Karton mit der Aufschrift ›Frei‹.«
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Nochmals zur selben Zeit, in der Schallplattenabteilung des Globus. Die rote Lifttür geht auf, ein Glockenschlag, Kurt und Waldemar treten auf. Dorly wundert sich: Die beiden begrüßen sie nicht. Kurt verschwindet sofort hinter dem nächsten Regal und sieht sich im Laden um. »Ich machte eine scherzhafte Bemerkung des Inhalts, dass die zwei Deutschen meine besten Kunden seien und dass ich wohl nächstens wegen herausragender Verkaufserfolge zur Ersten Verkäuferin befördert würde. Da trat Velte auf mich zu, der noch düsterer aussah als sonst. Er teilte mir mit, dass der Brief endlich angekommen sei, auf den sie gewartet hätten. Morgen müssten sie unbedingt weiterreisen nach Spanien, vielleicht gehe es dann weiter auf dem Landweg nach Indien; ob ich nicht etwas früher Feierabend machen könnte, damit wir genug Zeit hätten für den Abschied? Sie würden mir dann ihre vollen Namen nennen. Sie würden mir auch ihre Pässe zeigen, wenn ich das wünschte.«
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Am frühen Nachmittag bringt Wilhelm Sperisen, Inhaber des gleichnamigen Kleinbasler Waffengeschäfts, auf dem Polizeiposten Lohnhof den Diebstahl von zwei Selbstladepistolen Kaliber 7,65 mm zur Anzeige. »Zwei junge Burschen haben gestern kurz vor Mittag mein Geschäft betreten, worauf mich der eine mit viel freundlichem Gerede ablenkte, während der andere sich unbemerkt in der Auslage bediente. Den Diebstahl habe ich ursprünglich nicht zur Anzeige bringen wollen in der Annahme, dass die Diebe sowieso nie gefasst würden und ich von einer Anzeige also nichts als Umtriebe hätte. Nach dem heute vorgefallenen Banküberfall war mir aber klar, dass die Sache
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