Fast genial
blieb geschlossen.
Francis wendete sich ab und ging ein paar Schritte im
Kreis. „Fuck, fuck, fuck!“, schrie er. Sein Unterfangen war hoffnungslos.
Vor Wut drückte er noch mal auf die Klingel. Wieder
sekundenlang nichts, dann bewegte sich das Kameraauge erneut.
„Hören Sie, es ist wirklich wichtig. Bitte!“
Rauschen.
„Wieso möchten Sie ihn denn so dringend sprechen?“
„Es ist etwas sehr Persönliches. Ich bin mit dem
Auto extra aus Jersey gekommen. Alistair Haley hat mir Ihre Adresse gegeben, er
hat mich geschickt und ...“
Das Tor sprang auf.
Die weißgetünchte Villa war riesig. Im Garten
zwitscherten die Wassersprinkler, in der geöffneten Garage standen ein roter
Sting Ray aus den Sechzigern und ein silberner Mercedes. Der alte Waidenfels
musste sehr vermögend sein. Gerade als Francis an der Eingangstür läuten
wollte, öffnete ihm eine kleine, ältere Dame. Sie mochte Mitte siebzig sein,
hatte streng nach hinten gebundenes Haar, aber ein freundliches Gesicht. Sie
sagte, sie sei Waldenfels' Frau, und bat ihn herein.
Francis folgte ihr in ein lichtdurchflutetes
Wohnzimmer, der Boden war mit hellen Keramikplatten gefliest, der Raum wurde
von wuchtigen Bücherregalen und dem Kamin in der Ecke beherrscht.
„Sind Sie Autorin?“, fragte Francis und deutete auf
einen Tisch, auf dem einige Zeichnungen und Blätter lagen.
Mrs. von Waldenfels wirkte
stolz. „Nun ja, ich arbeite gerade an einem Kinderbuch. Ich mache es aber eher
zum Spaß, ich weiß noch nicht, ob ich es veröffentlichen will.“
Sie setzten sich auf das Sofa. Francis erzählte ihr,
warum er unbedingt ihren Mann sprechen müsse.
Auf einmal schien sie sich über seinen Besuch zu
freuen. „Sie müssen entschuldigen, dass ich vorhin an der Sprechanlage so
abweisend war“, sagte sie. „Früher war in diesem Haus immer Betrieb. Aber seit
es Fritz ... so schlecht geht, empfangen wir nur noch sehr selten Gäste. Und es
gab auch ein paar unschöne Besuche von Journalisten. Doch für Freunde von
Alistair mache ich gern eine Ausnahme ... Wie geht es ihm?“
„Gut, denke ich. Ich habe ihm geholfen, seine Möbel
zusammenzubauen.“
Mrs. von Waidenfels
lachte. „Handwerklich war er nicht gerade geschickt. Dafür war er das klügste
Kind, das ich jemals kennengelernt habe, ein mathematisches Genie. Zu schade,
dass er nichts draus gemacht hat. Ich habe gehört, dass er inzwischen als
Geschäftsführer in einem vegetarischen Restaurant arbeitet. Ist das nicht
verrückt?“
Francis wusste darauf nichts zu antworten.
Mrs. von Waidenfels
wartete noch ein paar Sekunden, ehe sie sich erhob. „Dann hole ich mal Fritz.
Ich werde Armando sagen, er soll Ihnen in der Zwischenzeit ein paar Sandwiches
machen. Wenn Sie mögen, können Sie fernsehen.“
Francis hörte, wie sie die Treppen hochging. Fünf
Minuten später kam auch schon ein junger Mexikaner ins Zimmer und stellte
einen Teller Schinkensandwiches auf den Tisch.
„Danke“, sagte Francis.
Der Mexikaner fragte ihn, woher er käme. „Und du
möchtest wirklich den alten Waldenfels sprechen?“, fragte er schließlich.
„Ja, ich brauche Informationen von ihm.“
Armando musste lachen. „Ich weiß nicht, ob du das schon weißt, aber der
Alte kann dir gar nichts mehr geben.
Er ist sechsundachtzig und dement. Jede Nacht hat er
diese Alpträume und schreit im Schlaf. Die Gesichter irgendwelcher Kinder
verfolgen ihn angeblich.“
„Welcher Kinder?“
„Ich weiß es nicht, ich will es ehrlich gesagt auch
gar nicht wissen.“
Während Francis darüber nachdachte, ging der Mexikaner
aus dem Zimmer. Er selbst betrachtete die Hefte, die auf dem gläsernen
Fernsehtisch gestapelt waren. Esquire, Star und Vanity Fair. Daneben
lag ein schwarzer Geldbeutel aus Leder, vermutlich hatte ihn jemand dort
vergessen. Francis begann in den Magazinen zu lesen, doch schon nach kurzer
Zeit bildeten die Buchstaben nur noch das Wort „Doble“.
Nach ein paar Minuten hörte er Stimmen. Francis ging
zur Treppe im Foyer und sah, wie Mrs. von Waldenfels oben ihren Mann auf den
Treppenlift setzte. Dann kam der Alte, auf dem fahrbaren Stuhl thronend,
heruntergeschwebt. Francis kam es wie in Zeitlupe vor, und so konnte er ihn
genau beobachten. Waldenfels trug einen dunklen Cordanzug, war allerdings
schlecht rasiert, das graue Haar war dünn, der Mund schief, die Schnürsenkel an
seinem linken Schuh waren offen.
Als der Treppenlift vor ihm hielt, sah der Alte ihn
an. „Dass Sie in meinem Haus
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