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Fast genial

Fast genial

Titel: Fast genial Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benedict Wells
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tauchte,
wieder auftauchte, sich die nassen Haare aus dem Gesicht strich. Er betrachtete
ihren nackten, im Sonnenlicht glänzenden Körper. Einmal sah sie kurz zu ihnen.
Dann wendete sie sich wieder ab und schwamm in die andere Richtung.
    „Ich verliere sie“, sagte Francis.
    Grover antwortete nicht.
    „Sie hat all meine Geheimnisse“, fing Francis noch
mal an. „Und jetzt hab ich sie verloren.“
    Für die Übernachtung suchten sie ein Motel in
Strandnähe. Francis lag noch lange wach, aus dem Zimmer nebenan hörte er Musik
und Gelächter. Es waren sicher die braungebrannten Surfer, die er schon beim
Einchecken gesehen hatte. Sie waren einige Jahre älter als er und hatten die
ganze Zeit Anne-May angestarrt. Bei ihrem Lärm konnte er einfach nicht
einschlafen, die Musik war zu laut und die Wände zu dünn, sogar das Klirren der
Bierflaschen konnte er hören. Ihr Partylärm war Sirenengesang, sie wollten
damit Anne-May zu sich locken. Doch die lag in ihrem Bett und schlief.
Wenigstens das. Francis schloss wieder die Augen, und endlich nickte er ein.
    Und dann, es war vielleicht zwei Uhr morgens, wachte
er auf und spürte plötzlich einen dumpfen Schmerz. Einen Schmerz, wie er ihn
noch nie gehabt hatte, irgendwo beim Herzen. Francis wusste nicht, wieso. Er
schaute sich im Zimmer um.
    Anne-Mays Bett war leer.
    Er stellte sich vor, wie sie drüben, ein Bier in der
Hand, gerade von einem dieser Westküstenwichser begrapscht wurde. Vermutlich
ließ sie es sich gefallen, blies ihm sogar einen. Francis hörte wieder, wie
nebenan gelacht wurde. Sie lachten ihm da drüben alle ein bisschen zu viel und
zu laut! Wenn er in diesem Augenblick eine Waffe gehabt hätte, wäre er
aufgestanden und damit ins Nachbarzimmer gegangen. Die Typen hätten gerade
einen Witz gerissen, da wäre die Tür aufgeflogen und ein großer Kerl mit einer
Shotgun hereingekommen. Einer der Surfer hätte noch gesagt: „Hey, mach keinen
Scheiß“, doch da hätte er ihm schon eine Ladung reingeballert und dann auch den
anderen, er hätte nachgeladen und geschossen, nachgeladen und geschossen,
selbst den einen, der gerade von der Toilette kam, hätte er erwischt.
    Er hatte aber leider keine Shotgun. Und wenn er ehrlich
war: er hätte auch nichts gemacht, selbst wenn er eine gehabt hätte.
Stattdessen machte er sich jetzt bewusst, dass das mit Anne-May keinen Sinn
hatte. Sie war fast zwei Jahre älter als er, erfahren, sie war unerreichbar für
ihn. Und trotzdem, Francis bekam eher das Gefühl, dass sie ihn nicht liebte,
weil ihm etwas Bestimmtes fehlte. Nur was? Vielleicht die Gabe, andere Menschen zu berühren?
Ach, Schwachsinn, dachte er, doch der Gedanke ließ ihn nicht los.
    Mit einem Satz sprang er auf und suchte in Anne-Mays
Sachen nach dem Tagebuch. Er wollte sehen, warum sie ihn nicht wollte, schwarz
auf weiß, und wühlte sich durch ihre Tasche, durch ihre Bettdecke und sah auch
unter dem Kopfkissen nach. Doch er fand es nicht. Plötzlich schnarchte Grover
einmal laut, und Francis erschrak. Er begriff, was er da tat, und legte sich
ins Bett zurück. Als Anne-May gegen Morgen ins Zimmer gewankt kam, stellte er
sich schlafend.
     
    2
     
    Carpinteria war ein kleines Städtchen bei Santa
Barbara, mit Palmenalleen, mexikanischen Restaurants, Eisdielen und einem
Strand. Dr. von Waldenfels wohnte in einem großen Anwesen am Stadtrand,
jedenfalls laut der Adresse, die Alistair ihm gegeben hatte. Francis
betrachtete das weiße Gittertor. Etwas unentschlossen stieg er aus. Anne-May und
Grover meinten, sie würden in der Zwischenzeit in ein Cafe gehen und kämen in
einer Stunde wieder. Und schon waren sie weg.
    Er drückte die Klingel. Nichts geschah. In der Nachbarschaft
bellte ein Hund sinnlos vor sich hin, die Sonne brannte Francis im Nacken, er
war todmüde. In diesem Moment überkam ihn die Hoffnungslosigkeit wie nie zuvor.
Das einzig Sinnvolle wäre, die Reise zu beenden. Jetzt gleich. Für einen Moment
war Francis bereit, die beiden anderen zu verraten. Er konnte abhauen und Ryan
bitten, ihm über Western Union Geld für einen Rückflug zu schicken. Zur Not
konnte er sich auch die Kohle für ein Greyhound-Busticket erbetteln oder
trampen. Vermutlich würde die Begegnung mit seinem Vater sowieso in einer
Enttäuschung enden.
    Da bewegte sich das Kameraauge. „Ja, wer ist da?“,
fragte eine Frauenstimme.
    „Ich möchte zu Dr. Friedrich von Waidenfels“, hörte
Francis sich sagen.
    „Tut mir leid, er empfängt keinen Besuch mehr!“
    Das Tor

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