Fast geschenkt
Mit einem Gefühl der Übelkeit folge ich ihr über blauen Teppich durch einen Flur in einen kühlen kleinen Raum, in dem ein Tisch und ein paar Plastikstühle stehen. Als sich die Tür wieder hinter ihr schließt, sehen Suze und ich uns an.
»Wollen wir weglaufen?«, frage ich nur halb im Scherz.
»Es wird schon gut gehen«, beruhigt Suze mich. »Pass mal auf, das ist bestimmt auch ein ganz Netter. Meine Eltern hatten da mal diesen Gärtner, der immer so fürchterlich mürrisch wirkte - aber dann haben wir herausgefunden, dass er ein Zwergkaninchen hatte! Und er war ein völlig anderer -«
Sie verstummt, als die Tür auffliegt und ein Typ von ungefähr dreißig Jahren hereinrauscht. Seine dunklen Haare werden schon lichter, er trägt einen ziemlich hässlichen Anzug und hält einen Plastikbecher mit Kaffee in der Hand.
O Gott. Der sieht ganz und gar nicht nett aus. Auf einmal wünschte ich, wir wären nicht hergekommen.
»Also«, sagt er mit gerunzelter Stirn. »Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit. Wer von Ihnen ist Rebecca Bloomwood?«
Er hört sich an, als würde er fragen, wer von uns der Mörder ist.
»Ahm... ich«, antworte ich nervös.
»Und wer ist das?«
»Suze ist meine -«
»Familie«, behauptet Suze selbstbewusst. »Ich bin ihre Familie.« Sie sieht sich in dem Zimmer um. »Haben Sie keinen Sherry?«
»Nein«, sagt John Gavin und sieht sie an, als wenn sie nicht ganz dicht wäre. »Ich habe keinen Sherry. Also, was soll das alles hier?«
»Okay, als Erstes«, hebe ich nervös an, »habe ich Ihnen etwas mitgebracht.« Ich fasse in meine Tasche und hole noch einen Umschlag von Kates Papeterie heraus.
Das war meine Idee, ihm eine Kleinigkeit mitzubringen, um das Eis zu brechen. Gehört schließlich zum guten Ton. Und in Japan werden nur so Geschäfte gemacht.
»Ist das ein Scheck?«, fragt John Gavin.
»Ahm... nein«, sage ich und erröte ein wenig. »Das ist... eine handgefertigte Karte.«
John Gavin sieht mich finster an, reißt den Umschlag auf und zieht eine silberbedruckte Karte mit pinkfarbenen Federn in den Ecken heraus.
Hm. Vielleicht hätte ich doch eine weniger mädchenhafte nehmen sollen.
Oder ihm gar keine geben sollen. Aber diese passte so gut.
»Ich weiß, dass ich Fehler gemacht habe... Bitte, bekomme ich noch eine Chance?«, liest John Gavin ungläubig vor. Er dreht die Karte um, als erwarte er irgendeinen Witz. »Haben Sie die gekauft?«
»Ist die nicht schön?«, sagt Suze. »Die ist aus New York.«
»Aha. Werde ich mir merken.« Er stellt die Karte auf den Tisch und wir sehen sie alle an. »Miss Bloomwood, warum genau sind Sie heute hier?«
»Ja, also...«, sage ich. »Es ist so. Wie meine Karte schon deutlich gemacht hat, ist mir durchaus bewusst, dass ich« -ich schlucke - »in letzter Zeit vielleicht nicht gerade die beste... ideale Kundin gewesen bin. Ich bin allerdings davon überzeugt, dass wir mit vereinten Kräften in Zukunft zu einer harmonischen Zusammenarbeit finden können.«
So weit, so gut. Den Satz hatte ich auswendig gelernt. »
»Und das heißt?«, fragt John Gavin. Ich räuspere mich.
»Em... auf Grund der Verkettung verschiedener sich meinem Einfluss entziehender Umstände ist meine finanzielle Lage zurzeit ein klein wenig... misslich. Ich wollte Sie daher fragen, ob Sie eventuell bereit wären, meinen...«
»Bereit und so freundlich...«, souffliert Suze.
»Ob Sie eventuell bereit und so freundlich wären, meinen Überziehungskredit vorübergehend ein klein wenig...«
»Als Geste des guten Willens«, sagt Suze vor.
»Als Geste des guten Willens... vorübergehend... auf kurze Zeit... zu erweitern. Ich würde mein Konto selbstverständlich so schnell wie menschenmöglich ausgleichen.« Ich halte inne und hole Luft.
„Sind Sie fertig?«, fragt John Gavin und verschränkt die Arme.
»Ahm... ja.« Ich suche Suzes bestätigenden Blick. »Ja, wir sind fertig.«
Es folgt ein Schweigen, lediglich unterbrochen davon, dass John Gavin mit seinem Kugelschreiber auf dem Tisch herumklopft. Dann sieht er auf und sagt: »Nein.«
»Nein?« Ich sehe ihn verdattert an. »Einfach... nein?«
»Einfach nein.« Er schiebt seinen Stuhl zurück. »Und wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen -«
»Was wollen Sie damit sagen, nein?«, schaltet Suze sich ein. »Sie können doch nicht einfach nur Nein sagen! Sie müssen doch abwägen, was dafür und was dagegen spricht!«
»Genau das habe ich getan«, erklärt John Gavin. »Und es spricht nichts dafür.«
»Aber
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