Fast geschenkt
oben bis unten. Ich trage meine schwarze Hose von Banana Republic, ein weißes Hemd, einen gedeckten, taillierten Blazer und ein dunkelgrünes Halstuch.
Ich hätte ja mein Dennyand-George-Tuch angezogen -ich hatte es sogar schon in der Hand. Aber dann habe ich es fast im gleichen Moment wieder weggelegt. Ich weiß auch nicht genau, warum.
»Wirklich scharf«, sagt Suze. »Wo geht ihr essen?«
»Bei Lorenzo‘s?«
»San Lorenzo?« Sie reißt beeindruckt die Augen auf.
»Nein, glaube ich nicht. Einfach nur... Lorenzo‘s. Ich war da noch nie.«
»Na, vergiss jedenfalls nicht, gleich Sekt zu bestellen«, instruiert Suze mich. »Und erzähl ihr, dass du in Angeboten fast erstickst, mit anderen Worten, wenn sie dich zurückhaben wollen, müssen sie ordentlich in die Tasche greifen. So sieht‘s aus, friss oder stirb!«
»Okay.« Ich schraube die Wimperntusche auf.
»Wenn deren Gewinnspanne drunter leidet, haben sie halt Pech gehabt«, sagt Suze energisch. »Qualität hat nun mal ihren Preis. Du willst den Deal abschließen - aber zu deinen Konditionen. Zu deinem Preis.«
»Suze...« Ich höre auf, mir Mascarastaub auf die Wimpern zu tupfen. »Wo hast du das alles her?«
»Was alles?«
»Na, das... über Gewinnspannen und Konditionen und so.«
»Ach das! Von der Hadleys-Konferenz. Da habe ich an einem Seminar teilgenommen, das von einem der besten Verkäufer in den USA geleitet wurde. War Masse! Und da habe ich gelernt, dass ein Produkt nur so gut ist wie sein Verkäufer.«
»Wenn du meinst.« Ich nehme meine Tasche und überlege, ob ich alles habe. Dann hebe ich den Kopf und verkünde bestimmt: »Gut. Dann gehe ich.«
»Viel Glück!«, wünscht Suze mir. »Obwohl es im Geschäft natürlich überhaupt nicht auf Glück ankommt, sondern nur auf Fleiß, Entschlossenheit und noch einmal Fleiß.«
»Okay«, sage ich leicht zweifelnd. »Ich werde daran denken.«
Die Adresse von Lorenzo‘s ist eine Straße in Soho, aber als ich in sie einbiege, sehe ich nichts, was auch nur annähernd wie ein Restaurant aussähe. Hier gibt es fast nur Bürogebäude, dazwischen mal einen Kiosk oder ein Cafe, und ein...
Moment. Ich bleibe stehen und betrachte das Schild über dem Cafe. Lorenzo‘s Coffee Shop and Sandwich Bar.
Aber... Das kann sie doch nicht gemeint haben, oder?
»Becky!« Ich drehe mich um und sehe Zelda in Jeans und Steppweste auf mich zukommen. »Da bist du ja schon!«
»Ja.« Ich versuche, nicht zu enttäuscht auszusehen. »Da bin ich schon.«
»Du hast doch nichts gegen einen Sandwich, oder?«, sagt sie und zieht mich mit sich hinein. »Für mich liegt das hier ziemlich günstig.«
»Nein, nein. Ich meine... Ein Sandwich ist prima.«
»Gut. Das mit italienischem Huhn kann ich empfehlen.« Sie mustert mich von oben bis unten. »Schick siehst du aus. Hast du was Besonderes vor?«
Das darf nicht wahr sein. Ich kann ihr doch nicht sagen, dass ich mich extra wegen ihr so in Schale geworfen habe.
»Ahm... ja.« Ich räuspere mich. »Ich... ich muss später noch zu einem Meeting.«
»Na gut, ich will dich auch gar nicht lange aufhalten. Wir wollten dir bloß ein kleines Angebot machen.« Sie lächelt mich an. »Und wir dachten, das wäre netter bei einem persönlichen Gespräch.«
Irgendwie hatte ich mir unter der Verabredung zum Mittagessen etwas ganz anderes vorgestellt. Aber während ich den Sandwich-Typen dabei beobachte, wie er italienisches Huhn auf unsere Brote verteilt, Salat dazu legt und jedes Sandwich in vier Teile schneidet, erhole ich mich schon wieder von der ersten Enttäuschung. Gut, das hier ist kein feines Restaurant mit Tischdecken und Sekt. Gut, sie hauen nicht gerade auf den Putz. Aber wer weiß, vielleicht ist das ja ein gutes Zeichen! Das zeigt doch, dass sie mich immer noch als einenTeil des Teams ansehen, oder? Als jemandem, mit dem man eben schnell ein Sandwich essen und die Ideen für die nächste Programmplanung besprechen kann.
Vielleicht wollen sie mich als Feature-Beraterin engagieren. Oder sogar zur Produzentin ausbilden!
»Uns hat das alles furchtbar Leid getan, Becky«, sagt Zelda, als wir mit den Tabletts voller Sandwiches und Getränke einen winzigen Holztisch ansteuern. »Wie läuft es denn so? Hast du einen Job in New York in Aussicht?«
»Ahm... nicht so direkt«, weiche ich aus und trinke einen Schluck Mineralwasser. »Es ist alles noch... in der Schwebe.« Ich merke, dass sie mich prüfend ansieht, und füge schnell hinzu: »Aber ich habe diverse Angebote
Weitere Kostenlose Bücher