Fast geschenkt
durchgestellt wurde.
»Becky!« Er hört sich ehrlich erfreut an, von mir zu hören. »Wie geht es Ihnen?«
Ich schließe die Augen und ringe um Fassung. Der Klang seiner Stimme hat mich unversehens ins Four Seasons zurückversetzt. In die schwach beleuchtete, teure Lobby. In die Traumwelt New York.
»Mir...« Ich atme tief durch. »Mir geht es gut. Sie wissen schon... alles wieder beim Alten. Viel zu tun.«
Ich werde jetzt bestimmt nicht damit herausrücken, dass ich meinen Job verloren habe. Ich habe keine Lust, auch noch von ihm bemitleidet zu werden.
»Ich bin gerade auf dem Sprung ins Studio«, sage ich und kreuze die Finger. »Aber ich wollte noch ganz schnell was loswerden. Ich glaube, ich weiß jetzt, warum Gerüchte kursieren, dass Luke die Bank of London verlieren wird.«
Ich erzähle ihm ganz genau, was ich im Büro mitbekommen habe, wie ich in der King Street gelandet bin und was ich herausgefunden habe.
»Verstehe«, murmelt Michael immer mal wieder zwischendurch und hört sich gar nicht mehr erfreut an. »Verstehe. Wissen Sie, dass jeder Arbeitsvertrag eine Klausel enthält, die es den Angestellten verbietet, so etwas zu tun? Wenn sie Luke einen Kunden abwerben, könnte er sie verklagen.«
»Darüber haben sie auch gesprochen. Aber sie glauben, dass er sie nicht verklagen wird, weil er sonst sein Gesicht verlieren würde.«
Michael schweigt. Ich kann fast hören, wie er nachdenkt.
»Da haben sie nicht ganz Unrecht«, sagt er schließlich. »Becky, das muss ich Luke erzählen. Das ist wirklich toll, was Sie da herausgefunden haben.«
»Das war aber noch nicht alles«, sage ich. »Michael, Sie müssen Luke noch mehr erzählen. Als ich bei Brandon Communications war, war die Firma wie tot. Niemand gibt sich mehr Mühe, alle gehen so früh wie möglich nach Hause... da herrscht auf einmal eine ganz andere Atmosphäre. Eine ungute Atmosphäre.« Ich beiße mir auf die Lippe. »Er muss nach Hause kommen.«
»Warum sagen Sie ihm das nicht selbst?«, fragt Michael sanft. »Ich bin mir sicher, dass er sich freuen würde, von Ihnen zu hören.«
Er klingt so unendlich gütig und besorgt, dass mir fast schon wieder die Tränen in die Augen schießen.
»Ich kann nicht. Wenn ich ihn anrufe, denkt er doch bloß... dass ich ihm beweisen will, dass ich Recht hatte oder so. Oder dass ich nur unsinnigen Büroklatsch weitergebe -« Ich breche ab und schlucke. »Ehrlich gesagt, Michael, wäre es mir am liebsten, wenn Sie mich aus der Sache ganz heraushalten würden. Tun Sie einfach so, als hätten Sie mit jemand anderem gesprochen. Aber irgend jemand muss es ihm sagen.«
»Ich treffe mich ohnehin in einer halben Stunde mit ihm. Dann werde ich es ihm sagen. Und Becky...? Danke.«
16
Nach einer Woche gebe ich die Hoffnung auf, wieder von Michael zu hören. Was auch immer er Luke gesagt hat, ich werde es wohl nie erfahren. Ich habe das Gefühl, dass ein Kapitel meines Lebens abgeschlossen ist. Luke, Amerika, Fernsehen, alles. Ich muss neu anfangen.
Ich versuche, eine positive Einstellung zu bewahren und sage mir, dass mir viele Wege offen stehen. Aber was macht eine selbsterkorene Finanzexpertin, nachdem ihre Fernsehkarriere kläglich und jäh gescheitert ist? Ich habe eine Fernsehagentin angerufen, die zu meinem Entsetzen genauso klang wie die ganzen Fernsehleute in den USA. Sie sagte, sie freue sich wahnsinnig, von mir zu hören, und sie würde problemlos Arbeit für mich finden - eventuell sogar eine eigene Serie -, und sie würde am selben Tag noch zurückrufen, wenn sich etwas getan habe. Ich habe nie wieder von ihr gehört.
Jetzt bleibt mir also nichts anderes übrig, als den Media Guardian auf der Suche nach Jobs zu durchforsten, für die ich vielleicht halbwegs qualifiziert bin. Bisher habe ich drei Annoncen eingekringelt: eine vom Investors Chronicle, die einen fest angestellten Journalisten suchen, eine vom Personal Investment Chronicle für den Job des stellvertretenden Chefredakteurs und eine von Annuties Today (dem »führenden Info-Magazin, wenn es um Leibrenten geht«), die einen Chefredakteur brauchen. Ich habe zwar keine Ahnung von Leibrenten - aber was nicht ist, kann ja noch werden.
»Wie läuft‘s?«, fragt Suze, als sie mit einem Teller Crunchy-Nut-Cornfiakes hereinkommt.
»Prima«, sage ich und versuche zu lächeln. »Ich schaff das schon.« Suze isst einen Löffel Cornflakes und betrachtet mich nachdenklich.
»Was hast du heute vor?«
»Nicht viel«, sage ich muffelig. »Ich
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