Fast geschenkt
drüber nachdenke, liegt es ganz klar auf der Hand! Darum geht es bei diesem Deal. Luke will die Geschäftsfelder seiner PR-Firma erweitern und Werbung machen. Fernsehwerbung!
Und ich werde darin mitspielen! Ja!
Dieser Gedanke ist so aufregend, dass ich um ein Haar meinen Kaugummi verschlucke. Fernsehwerbung! Mit mir! Cool. Vielleicht darf ich bei einer Bacardi-Reklame mitmachen, wo alle auf einem Boot rumhängen, lachen, Wasserski fahren und sich prächtig amüsieren. Ja, ich weiß, normalerweise werden für diese Filmchen nur richtige Models genommen - aber ich könnte doch irgendwo im Hintergrund mitspielen, oder? Oder ich könnte das Boot steuern. Mann, das wird richtig toll. Wir fliegen nach Barbados oder so, in die Hitze, in die Sonne, in das sorgenfreie Jetset-Leben, wo der Bacardi in Strömen und gratis fließt, und wir werden in einem genialen Hotel wohnen... Vorher muss ich mir natürlich einen neuen Bikini kaufen... oder vielleicht zwei... und ein Paar neue Flip-Flops...
»St. Winifred«, sagt der Taxifahrer und holt mich damit jäh zurück in die Realität. Ich bin nicht auf Barbados. Ich bin in der südenglischen Pampa in Somerset.
Wir halten vor einem alten, honigfarbenen Gebäude, und ich spähe neugierig aus dem Wagenfenster. Das ist also ein Kloster. Sieht gar nicht so besonders aus - wie eine Schule oder ein großes Landhaus. Gerade, als ich mir überlege, ob ich überhaupt aussteigen soll, erstarre ich: Eine Nonne. Eine echte, leibhaftige Nonne. In schwarzemTalar, mit Schleier und allem! Eine echte Nonne in ihrem natürlichen Lebensraum. Und sie verhält sich ganz natürlich. Sie hat das Taxi nicht einmal angesehen. Das ist ja wie auf Safari!
Ich steige aus und zahle. Dann marschiere ich mit einem faszinierten Kribbeln im Bauch auf die schwere Eingangstür zu. Direkt vor mir öffnet eine ältere Dame die Tür. Da sie so aussieht, als würde sie sich hier auskennen, folge ich ihr kurzerhand durch einen langen Flur zur Kapelle. Als wir diese betreten, ergreift mich ein wahnsinniges, heiliges, fast schon euphorisches Gefühl. Ich weiß nicht, ob das von dem wunderbaren Duft kommt oder von der Orgelmusik, aber ich bin definitiv berührt.
»Danke, Schwester«, sagt die ältere Dame zu der Nonne.
Und dann geht sie weiter, auf den Altar zu - aber ich bleibe wie angewurzelt stehen.
Schwester. Wow.
Schwester Rebecca.
In einem wunderschönen, wallenden, schwarzen Habit. Mit himmlisch klarem Nonnenteint.
Schwester Rebecca von der Heiligen...
»Sie sehen ein wenig verloren aus, meine Liebe«, spricht eine Nonne mich von hinten an und ich fahre zusammen. »Sie möchten bestimmt das Bevington-Triptychon sehen?«
»Oh«, sage ich. »Äh... ja. Genau.«
»Da oben.« Sie zeigt nach oben und ich gehe etwas zögerlich in Richtung Altar und hoffe, dass sich mir gleich offenbaren wird, was dieses Bevington-Triptychon überhaupt ist. Eine Statue vielleicht? Oder... oder vielleicht ein Wandteppich?
Doch als ich mich hinter die ältere Dame stelle und ihrem Blick folge, merke ich, dass sie eine ganze Wand voller Glasmalereien betrachtet. Und ich muss gestehen, sie sind beeindruckend. Ich meine, allein die riesige blaue in der Mitte. Fantastisch!
»Das Bevington-Triptychon«, sagt die ältere Dame. »So etwas gibt es auf der Welt nur einmal.«
»Wow«, hauche ich ehrfürchtig. »Es ist wunderschön.«
Und das ist es wirklich. Und das beweist mal wieder, dass echte Kunst sich klar abhebt vom Rest. Echte Genialität springt einem einfach sofort ins Auge. Und ich bin noch nicht einmal eine Kunstkennerin!
»Herrliche Farben«, murmele ich.
»Dieser Detailreichtum«, sagt die Frau und faltet die Hände. »Einfach unvergleichlich.«
»Unvergleichlich«, stimme ich zu.
Gerade als ich auf den Regenbogen hinweisen will, den ich wirklich ganz besonders nett finde, fällt mir auf, dass die ältere Dame und ich gar nicht dasselbe Ding betrachten. Sie schaut nämlich ein bemaltes Holzteil an, das mir bisher nicht aufgefallen war.
So unauffällig wie möglich ändere ich die Blickrichtung -und bin entsetzlich enttäuscht. Das ist das Bevington-Triptychon? Aber das ist ja nicht einmal besonders hübsch!
»Dieser viktorianische Müll dagegen«, fährt die Dame unvermittelt und schonungslos fort, »ist geradezu kriminell! Dieser Regenbogen! Da wird einem ja schlecht!« Sie deutet auf mein großes blaues Fenster, und ich schlucke.
»Allerdings«, sage ich. »Schrecklich, nicht? Absolut... Wissen Sie was, ich sehe
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