Fast geschenkt
mich noch ein bisschen hier um...«
Und bevor sie noch etwas sagen kann, mache ich mich aus dem Staub. Ich schleiche mich an den Bänken entlang zurück in Richtung Tür und frage mich, was ich als Nächstes tun könnte, als ich in der Ecke eine kleine Nebenkapelle entdecke.
Raum der Stille, steht auf einem kleinen Schild an der Tür. Hier können Sie in aller Ruhe beten und mehr über den katholischen Glauben erfahren.
Vorsichtig stecke ich meinen Kopf in die Nebenkapelle und sehe eine stickende Nonne, die auf einem Stuhl sitzt. Sie lächelt mich an, woraufhin ich nervös zurücklächle und langsam hineingehe.
Ich setze mich auf eine Bank aus dunklem Holz und hoffe, dass sie nicht zu sehr knarrt. Dann bin ich eine ganze Weile so ergriffen, dass es mir die Sprache verschlägt. Das hier ist einfach unschlagbar. Eine so tolle Atmosphäre, diese Stille... Ich fühle mich jetzt schon unglaublich gereinigt und erleuchtet. Dann lächle ich die Nonne noch einmal schüchtern an, sie lässt ihren Stickrahmen sinken und sieht mich an, als erwarte sie, dass ich jetzt etwas sage.
»Die Kerzen hier gefallen mir wirklich sehr gut«, sage ich ganz leise und ehrerbietig. »Sind die von Habitat?«
»Nein«, sagt die Nonne und sieht etwas verwirrt aus. »Ich glaube nicht.«
»Aha.«
Ich unterdrücke ein winziges Gähnen - diese Landluft macht entsetzlich müde -, und als ich mir die Hand vor den Mund halte, fällt mir auf, das einer meiner Fingernägel abgebrochen ist. Ich öffne also ganz leise den Reißverschluss an meiner Tasche, hole meine Nagelfeile heraus und fange an zu retten, was zu retten ist. Die Nonne sieht auf, ich lächle sie reuig an und zeige auf meinen Fingernagel (schweigend natürlich, schließlich will ich die Stille nicht stören). Dann, als ich fertig bin, hole ich meinen schnell trocknenden Nagellack heraus und vollende die Reparaturarbeit.
Die Nonne beobachtet mich die ganze Zeit einigermaßen verdutzt, und als ich so gut wie fertig bin, sagt sie: »Sind Sie katholisch, meine Liebe?«
»Nein.«
»Wollten Sie über irgendetwas Bestimmtes reden?«
»Öm... eigentlich nicht.« Ich streichle das Holz der Bank, auf der ich sitze, und lächle sie freundlich an. »Eine richtig hübsche Schnitzerei. Sind die Möbel hier alle so schön?«
»Das hier ist die Kapelle«, sagt die Nonne und sieht mich irgendwie merkwürdig an.
»Ja, ja, ich weiß. Aber heutzutage haben ziemlich viele Leute solche Kirchenbänke in ihren Wohnungen. Die sind richtig in. Ich habe gerade erst einen Artikel in Harpers gelesen.«
»Mein liebes Kind...« Die Nonne hebt eine Hand, um mich zu unterbrechen. »Mein Kind, dies ist ein Ort der Stille. Der Meditation.«
»Weiß ich doch!«, sage ich überrascht. »Darum bin ich ja hier. Wegen der Stille.«
»Gut«, sagt die Nonne, und dann schweigen wir.
Von irgendwoher höre ich eine Glocke läuten, und kurz darauf bemerke ich, dass die Nonne leise vor sich hin murmelt. Was sie wohl sagt? Sie erinnert mich irgendwie an meine Oma, die hat auch immer vor sich hin gemurmelt, wenn sie etwas gestrickt hat. Vielleicht hat sie sich verstickt.
»Das sieht wirklich toll aus, was Sie da nähen«, sage ich. »Was wird das?« Die Nonne zuckt kaum merklich zusammen und lässt den Stickrahmen sinken.
»Mein liebes Kind...«, sagt sie und schnappt nach Luft. Dann schenkt sie mir aber doch ein warmes Lächeln. »Mein liebes Kind, wussten Sie eigentlich, dass unser Kloster für seine Lavendelfelder berühmt ist? Hätten Sie vielleicht Lust, sie sich anzusehen?«
»Nein, danke, ist schon in Ordnung.« Ich strahle sie an. »Ich fühl mich ganz wohl hier mit Ihnen.« Das Lächeln der Nonne droht nachzulassen.
»Und was ist mit der Krypta? Würde Sie die interessieren?«
»Eigentlich nicht. Machen Sie sich um mich keine Sorgen. Ich langweile mich nicht! Ich finde es herrlich hier. So... still. Genau wie in .«
Die Nonne glotzt mich an, als hätte ich chinesisch geredet. Aber natürlich! Wahrscheinlich ist sie schon so lange im Kloster, dass sie nicht weiß, was Meine Lieder - meine Träume ist!
»Also, da war mal dieser Film...«, fange ich an zu erklären. Dann fällt mir ein, dass sie vielleicht auch gar nichtweiß, was ein Film ist. »Ein Film, das sind bewegte Bilder, wissen Sie«, erläutere ich behutsam. »Und die kann man auf einer Leinwand ansehen. Und da war diese Nonne, Maria hieß die...«
»Wir haben auch einen Laden«, unterbricht mich die Nonne jäh.
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