Fast geschenkt
»Einen Laden. Wie wär‘s damit?«
Ein Laden! Dieses Wort versetzt mich einen Augenblick in helle Aufregung und ich will fragen, was man da kaufen kann. Aber dann erinnere ich mich an das Versprechen, das ich Suze gegeben habe.
»Das geht nicht«, bedauere ich. »Ich habe meiner Mitbewohnerin versprochen, heute nicht einkaufen zu gehen.«
»Ihrer Mitbewohnerin?«, wundert sich die Nonne. »Was hat die denn damit zu tun?«
»Na ja, sie macht sich halt Sorgen, weil ich immer so viel Geld ausgebe -«
»Und Ihre Mitbewohnerin diktiert Ihnen, was Sie zu tun und zu lassen haben?«
»Nein, aber ich habe ihr vor einiger Zeit ein ziemlich ernstes Versprechen gegeben. Ich habe... praktisch ein Gelübde abgelegt...«
»Aber wie soll sie denn je davon erfahren? Wenn Sie es ihr nicht erzählen...?«
Ich sehe sie ziemlich überrascht an.
»Aber ich hätte ein wirklich schlechtes Gewissen, wenn ich mein Versprechen brechen würde! Nein, ich bleibe einfach noch ein bisschen hier bei Ihnen, wenn es Ihnen nichts ausmacht.« Ich nehme eine kleine Marienfigur in die Hand. -Die ist aber hübsch. Wo haben Sie die her?«
Die Nonne fixiert mich aus zusammengekniffenen Augen.
»Ich finde, Sie sollten das mit dem Laden nicht als Einkaufen betrachten«, sagt sie schließlich. »Sondern als Spende.«
Sie lehnt sich nach vorne. »Sie spenden Geld - und wir bedanken uns dafür mit einer Kleinigkeit aus unserem Laden. Das kann man doch nicht Einkaufen nennen. Das ist doch vielmehr... ein Akt der Nächstenliebe.«
Ich verfalle in etwas längeres Schweigen und denke über das Gesagte nach. Wissen Sie, ich habe eigentlich schon immer mehr spenden und Gutes tun wollen - vielleicht ist das jetzt die Gelegenheit.
»Das heißt... das wäre so etwas wie... eine gute Tat?«, vergewissere ich mich.
»Ganz genau. Und Jesus Christus und alle seine Engel werden Sie dafür segnen.« Und dann packt sie mich ziemlich energisch am Arm. »Kommen Sie, sehen Sie sich einfach ein wenig um. Ich zeige Ihnen auch, wo es langgeht...«
Wir verlassen die Nebenkapelle, die Nonne schließt die Tür hinter uns und nimmt das Raum der Stille-Schild ab.
»Kommen Sie nicht wieder her?«, frage ich.
»Heute nicht, nein«, sagt sie und sieht mich etwas merkwürdig an. »Ich glaube, ich lasse es für heute gut sein.«
Wissen Sie, es stimmt schon, was man sagt: Die Tugend ist sich selbst ihr Lohn. Als ich am späten Nachmittag ins Hotel zurückkehre, laufe ich fast über vor Glückseligkeit. Ich habe so viel Gutes getan! Ich habe in dem Laden bestimmt 50 Pfund gespendet, wenn nicht sogar mehr! Also, ich will ja nicht angeben oder so, aber mir liegt der Altruismus im Blut. Denn als ich erst mal angefangen hatte, zu spenden, konnte ich gar nicht mehr damit aufhören! Mit jedem Pfund, das ich spendete, steigerte sich mein Hochgefühl. Und auch wenn es völlig nebensächlich ist, aber: Ich habe als Dankeschön dafür ein paar richtig nette Sachen bekommen. Massenweise Lavendelhonig, Lavendelöl, Lavendeltee schmeckt bestimmt köstlich! - und ein Lavendelkissen, damit ich besser schlafe.
Das Komische daran ist, dass Lavendel mich vorher nie sonderlich interessiert hat. Ich dachte, das wäre bloß irgend so eine Pflanze, die die Leute im Garten haben. Aber die junge Nonne in dem Laden hatte Recht: Lavendel hat so belebende und lebensverbessernde Eigenschaften, dass sich eigentlich jeder mit Lavendel umgeben sollte. Dazu kommt, dass der Lavendel von St. Winifred aus kontrolliert biologischem Anbau stammt, wie sie mir erklärte - das heißt, er ist anderen Lavendelsorten qualitativ haushoch überlegen, und die Produkte sind viel preiswerter als die im konkurrierenden Versandhandel. Sie war auch diejenige, die mich davon überzeugt hat, das Lavendelkissen zu kaufen und mich in eine Mailingliste einzutragen. Für eine Nonne war sie ganz schön hartnäckig.
Als wir vor Blakeley Hall halten, bietet der Taxifahrer an, beim Hereintragen meiner Errungenschaften behilflich zu sein, weil die Kiste mit dem Lavendelhonig doch ziemlich schwer ist. An der Rezeption, drücke ich ihm ein stattliches Trinkgeld in die Hand und beginne gerade davon zu träumen, mir jetzt gleich ein Bad einzulassen und mein neues Lavendel-Badeöl auszuprobieren... als die Eingangstür auffliegt und eine junge blonde Frau mit einer Louis-Vuitton-Tasche und langen, braunen Beinen ins Hotel stolziert.
Ungläubig starre ich sie an. Es ist Alicia Billington. Oder Alicia Biest-Langbein, wie ich sie nenne.. Was
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