Fast geschenkt
kommt ziemlich abrupt zum Stillstand. Ich breche an einer der Seitenstangen zusammen und ringe nach Atem.
»Hier, trinken Sie etwas Wasser«, sagt der Mann und reicht mir einen Becher.
»D-danke«, sage ich und taumle immer noch keuchend vom Laufband. Meine Lunge fühlt sich an, als würde sie gleich explodieren, und als ich mich wieder mal in einem der Spiegel sehe, ist mein Gesicht tomatenrot.
»Vielleicht sollten Sie es für heute dabei belassen«, schlägt der Mann besorgt vor.
»Ja«, sage ich. »Ja, ich glaube auch.« Ich trinke einen Schluck Wasser und versuche, wieder normal zu atmen. »Ich glaube, das liegt daran, dass ich die amerikanischen Geräte nicht gewöhnt bin.«
»Kann schon sein«, nickt der Mann. »Die können ganz schön heikel sein. Obwohl« und damit tätschelt er gut gelaunt mein Laufband - »das hier aus Deutschland stammt.«
»Aha«, sage ich nach einer Weile. »Ja. Gut, wie dem auch sei. Vielen Dank für Ihre Hilfe.«
»Kein Problem«, sagt der Typ, und als er sich wieder auf sein Laufband schwingt, sehe ich, dass er lächelt.
Mann, war das peinlich. Als ich mich geduscht und umgezogen auf den Weg ins Foyer mache, um mich dort mit der Stadtrundganggruppe zu treffen, bin ich immer noch ganz schlapp. Vielleicht hat Luke doch Recht. Vielleicht ist das rasante Tempo hier in New York nichts für mich. Vielleicht ist es keine so gute Idee, mit ihm hierher zu ziehen.
Einige Touris haben sich bereits versammelt - die meisten sind älter als ich - und lauschen einem eifrigen jungen Mann, der etwas über die Freiheitsstatue erzählt.
»Hallo!«, unterbricht er seinen Vortrag, als ich mich nähere. »Möchten Sie auch an dem Stadtrundgang teilnehmen?«
»Ja, bitte.«
»Ihr Name?«
»Rebecca Bloomwood«, sage ich und erröte leicht, als sich die anderen nach mir umdrehen. »Ich habe schon bezahlt.«
»Na, dann, herzlich willkommen, Rebecca!« Der Mann hakt etwas auf seiner Liste ab. »Ich bin Christoph. Haben Sie bequeme Schuhe an?« Er wirft einen Blick auf meine Stiefel (knalllila, Barockabsätze, Ausverkauf bei Bertie letztes Jahr) und sein strahlendes Lächeln erstirbt. »Sie sind sich darüber im Klaren, dass die Tour drei Stunden dauert, ja? Und dass wir zu Fuß gehen?«
»Ja, natürlich«, erwidere ich überrascht. »Darum habe ich ja die Stiefel an.“
»Aha«, sagt Christoph nach einer Pause. »Na - okay.« Er sieht sich um. »Ich glaube, wir sind vollzählig. Dann kann es ja losgehen!«
Er geht uns voran aus dem Hotel auf die Straße. Alle anderen folgen ihm strammen Schrittes, während ich wie ein Hans-guck-in-die-Luft langsam hinterher schlendere. Es ist ein herrlicher Tag, die Luft ist frisch und klar und die Sonne lässt Bürgersteige und Gebäude leuchten, dass einem die Augen wehtun. Ehrfürchtig sehe ich mich um. Diese Stadt ist wirklich unglaublich. Ich meine, natürlich wusste ich, dass es hier vor Wolkenkratzern nur so wimmelt. Aber es wird einem dann doch erst bewusst, wie... ja, wie riesig sie tatsächlich sind, wenn man direkt vor ihnen steht. Ich lege den Kopf in den Nacken, um die obersten Stockwerke gegen den blauen Himmel zu sehen, bis mir der Nacken wehtut und mir etwas schwindelig wird. Dann lasse ich den Blick Etage für Etage zu den unteren Stockwerken wandern, bis er die Schaufenster erreicht. Und da bleibt er an zwei Wörtern hängen: »Prada« und »Schuhe«.
Oooh.
Prada Schuhe. Direkt vor meiner Nase.
Da muss ich mal eben einen Blick riskieren.
Die anderen marschieren weiter, doch ich stelle mich vor das Schaufenster und sehe mir ein Paar dunkelbraune Pumps an. Sind die toll! Wie viel die wohl kosten? Wer weiß, vielleicht ist Prada hier viel billiger als bei uns. Vielleicht sollte ich eben schnell reingehen und -
»Rebecca?«
Ich zucke zusammen und drehe mich um. Meine Stadtrundganggruppe ist etwa zwanzig Meter weiter stehen geblieben und glotzt mich an.
»Sorry«, sage ich und reiße mich nur ungern von diesem Schaufenster los. »Komme schon.«
»Später ist noch genug Zeit zum Einkaufen«, informiert Christoph mich fröhlich.
»Ich weiß«, sage ich und lache ganz entspannt. »Tut mir Leid.«
»Schon okay.«
Er hat natürlich Recht. Später ist noch genug Zeit zum Einkaufen. Mehr als genug.
Gut. Dann konzentriere ich mich jetzt auf unsere Tour.
»Also, Rebecca«, spricht Christoph mich gut gelaunt an, als ich wieder zur Gruppe aufschließe. »Ich habe den anderen gerade erzählt, dass wir uns auf der East 57th Street in Richtung Fifth
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