Fast geschenkt
Avenue bewegen, die wohl berühmteste Straße in New York City!«
»Super!«, sage ich. »Hört sich toll an!«
»Die Fifth Avenue teilt die Stadt in die >East Side< und die >West Side<«, fährt Christoph fort. »Wer sich für Geschichte interessiert, will sicher gern wissen...«
Ich nicke intelligent und bemühe mich, interessiert auszusehen. Aber während wir die Straße hinunterlaufen, dreht sich mein Kopf unaufhaltsam von links nach rechts und von rechts nach links - als würde ich bei einem Tennismatch zusehen. Christian Dior, Hermes, Chanel... Diese Straße ist einfach unglaublich. Wenn wir doch nur ein bisschen langsamer laufen würden, dann könnte man mal richtig gucken - aber dieser Christoph marschiert voran wie ein Wanderführer, und der Rest der Gruppe folgt ihm, ohne auch nur einen Blick auf die tollen Sachen um sie herum zu werfen. Haben die keine Augen im Kopf?
»... und von dort werden wir zwei Wahrzeichen von New York sehen: das Rockefeller Center, das vielen von Ihnen wahrscheinlich im Zusammenhang mit Schlittschuhlaufen ein Begriff ist...«
Wir umrunden eine Straßenecke - und mir bleibt fast das Herz stehen: Tiffanys! Da, direkt vor mir! Tiffanys! Da muss ich unbedingt ins Fenster gucken. Das ist doch schließlich die Quintessenz New Yorks, oder? Kleine türkisfarbene Schachteln, weißes Band und diese herrlichen silbernen Sachen ... Ich bleibe vor dem Schaufenster stehen und werfe sehnsüchtige Blicke auf die Auslage. Wow. Die Halskette ist ja der Hit. Und die Uhr erst! Wie viel so etwas wohl -
»Stehen bleiben, bitte!«, ruft Christoph, Ich blicke auf und die Tourgruppe ist mir schon wieder kilometerweit voraus. Wieso rennen die denn so? »Alles in Ordnung, Rebecca?«, fragt er gezwungen fröhlich. »Sie müssen wirklich ein bisschen mehr darauf achten, bei der Gruppe zu bleiben. Wir haben noch viel vor uns.«
»Tut mir Leid«, sage ich und trippele auf die Gruppe zu. »Hab nur schnell bei Tiffanys ins Fenster geguckt.« Ich grinse die Frau neben mir an und erwarte, dass sie zurücklächelt. Aber sie glotzt mich nur blöde an und zieht sich ihre Kapuze etwas enger um den Kopf.
»Wie ich bereits erwähnte«, nimmt Christoph seinen Vortrag wieder auf, als wir weitergehen, »ermöglicht es die gitternetzartige Anlage der Straßen in Manhattan, dass...«
Wieder versuche ich, mich zu konzentrieren. Aber es geht nicht. Ich kann nicht zuhören. Kommen Sie! Das hier ist die Fifth Avenue! So weit das Auge reicht, ein irrer Laden neben dem anderen. Da drüben ist Gucci - und da ist der größte Gap, den ich je gesehen habe... und da drüben, das Schaufenster, ist das nicht umwerfend? Und jetzt laufen wir einfach an Armani Exchange vorbei, und keiner bleibt auch nur eine Sekunde stehen...
Ja, spinnen die denn total? Was sind das denn für Banausen?
Wir gehen weiter und ich versuche, einen Blick in ein Schaufenster mit hinreißenden Hüten zu werfen, als... oh, mein Gott. Jetzt... jetzt sehen Sie doch nur! Da ist Saks Fifth Avenue. Gleich da drüben, nur ein paar Meter von mir entfernt! Eins der berühmtesten Kaufhäuser der Welt! Unzählige Etagen voller Klamotten, Schuhe, Taschen... Gott sei Dank! Endlich kommt Christoph zur Vernunft und bleibt stehen!
»Das ist eines der berühmtesten Wahrzeichen der Stadt«, erklärt er. »Es gibt viele New Yorker, die diesen wundervollen Ort der Verehrung regelmäßig - teilweise sogar mehrmals die Woche - aufsuchen. Es soll sogar Leute geben, die täglich hier sind! Unser Zeitplan sieht nur eine kurze Stippvisite vor, aber Sie können natürlich gern später auf eigene Faust hierher zurückkommen.«
»Ist es sehr alt?«, fragt ein Mann mit skandinavischem Akzent.
»Das Gebäude wurde 1888 fertig gestellt«, sagt Christoph. »Es wurde von James Renwick entworfen.«
Nun kommt schon, denke ich ungeduldig, als noch eine Frage zur Architektur gestellt wird. Kommt schon. Wen interessiert denn, wer es entworfen hat? Wen interessiert denn das Mauerwerk? Drinnen wird es doch erst richtig interessant!
»Sollen wir hineingehen?«, fragt Christoph schließlich.
»Unbedingt!«, plädiere ich erleichtert für seinen Vorschlag und stürme sofort in Richtung Eingang.
Doch als ich die Tür aufziehen will, fällt mir auf, dass die anderen mir nicht gefolgt sind. Wo sind sie denn alle? Verwirrt sehe ich mich um und stelle fest, dass der Rest derTruppe eine große Kirche betritt, an der ein Schild mit der Aufschrift »St. Patrick‘s Cathedral«
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