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Faszination Menschenfresser

Faszination Menschenfresser

Titel: Faszination Menschenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Ludwig
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die je gelebt hat. Der gefleckte Menschenfresser tötete nicht nur im indischen Garhwalgebirge mindestens 125 Menschen, sondern versetzte acht lange Jahre, zwischen 1918 und1926 , eine ganze Region derart in Angst und Schrecken, dass das öffentliche Leben teilweise völlig zum Erliegen kam. Der Leopard, der sich auf der viel begangenen Pilgerstrecke zwischen den Hindu-Schreinen Kedarnath und Badrinath an Menschen als leichte Beute gewöhnt hatte, schlich sich nachts in die Dörfer und tötete dort seine Opfer im Schutz der Dunkelheit.
    Die Dorfbewohner fürchteten den Leoparden schließlich so sehr, dass sie aus Angst vor der mörderischen Katze nachts ihre Häuser nicht mehr verließen. Eine Maßnahme, die relativ wenig half, denn der überaus findige Leopard hatte mittlerweile gelernt, Riegel und Türen zu öffnen, oder sich anderweitig Zugang zu den Behausungen zu verschaffen. In einigen Fällen grub er sich sogar mithilfe seiner Klauen regelrecht durch die Lehmwände von Hütten hindurch, um an seine Opfer zu gelangen. Im Distrikt Rampur tötete die Raubkatze ein nur wenige Monate altes Zwillingspaar so schnell und lautlos, dass die Eltern, die im gleichen Raum schliefen, nicht einmal aufwachten. Alle Versuche, den Leoparden zu erlegen, scheiterten. Die mörderische Katze entkam jeder Falle, überlebte jeden Giftanschlag und hatte offensichtlich deutlich mehr Leben als die sieben, die einer Katze eigentlich zustehen. Kein Wunder also, dass die Bevölkerung bald davon überzeugt war, das der Leopard über magische Fähigkeiten verfüge. Einige besonders abergläubische Menschen glaubten sogar, hier sei keine Großkatze, sondern eine übernatürliche Kraft, ein böser Geist oder gar der Teufel selbst am blutigen Werk. Mittlerweile war der mörderische Leopard weltberühmt geworden: Zeitungen in der ganzen Welt berichteten reißerisch über die mörderische Raubkatze, und dank der großen Zahl seiner Opfer schaffte es der »gefleckte Teufel« sogar, Thema einer Sitzung des englischen Parlaments zu werden. Die britische Kolonialregierung entsandte daraufhin eine durch Scharfschützen und Fährtensucher verstärkte Elite-Abteilung ihres ebenso legendären wie gefürchteten Gurkha-Regiments, um dem gefleckten Mörder den Garaus zu machen. Als das nichts half, setzte man eine hohe Belohnung auf den Leoparden aus. Verschiedene berühmte Großwildjäger versuchten daraufhin, die mörderische Katze zu erlegen.
    Zu guter Letzt wurde dann Jim Corbett damit beauftragt, dem Terrorregime des Leoparden ein Ende zu setzen. Corbett galt als Spezialist für die Jagd auf menschenfressende Raubkatzen und hatte sich bereits großen Ruhm durch seine erfolgreiche Jagd auf die Tigerin von Champawat erworben, der Anfang des 20. Jahrhunderts in Nepal und Nordindien Hunderte von Menschen zum Opfer gefallen waren. Zunächst versuchte Corbett dem Leoparden mit Fangeisen beizukommen. Vergeblich, denn dafür war die Raubkatze offensichtlich viel zu schlau. Was dann folgte, war eine atemberaubende, mehrere Wochen andauernde Jagd. Immer wieder gelang es dem Leoparden zu entkommen. Niemals zuvor musste Corbett so viel Zeit und Mühe aufwenden, um ein einzelnes Tier zu erlegen. Aber am Abend des 26. Mai 1926 war die Glückssträhne des Leoparden endgültig zu Ende: In einem letzten Versuch gelang es Corbett, die gefürchtete Großkatze von einem Ansitz in der Nähe des Dorfes Gulabrai zu erschießen. Eine Tat, für die der Großwildjäger von der Bevölkerung wie ein Volksheld gefeiert wurde.
    Aus Corbetts Aufzeichnungen geht hervor, dass der Leopard, ein älteres Männchen, an massivem Zahnfleischschwund und ausfallenden Zähnen litt. Als Corbett dem erlegten Leoparden im wahrsten Sinne des Wortes das Fell über die Ohren zog, entdeckte er mehrere alte, bereits verheilte Wunden im Körper der Katze. So war dem Leoparden am linken Hinterfuß offenbar eine Zehe weggeschossen worden. In der Brust des Kadavers entdeckte Corbett einige Schrotkugeln. Corbett zog daraus den Schluss, dass all diese Behinderungen dem Leoparden wohl so sehr zugesetzt hatten, dass er nicht mehr in der Lage war, »normale Beute« zu jagen und sich daraufhin auf Menschen als Opfer spezialisiert hatte, die bekanntermaßen sowohl leichter zu jagen als auch zu töten sind.
    Corbett war übrigens davon überzeugt, dass dem Leoparden von Rudraprayag während seiner achtjährigen Terrorherrschaft weitaus mehr Menschen zum Opfer gefallen waren als die 125 Todesfälle, die von den

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