Faszination Menschenfresser
töten. Duhamel, der sich zunächst sicher war, es mit einem riesigen Wolf zu tun zu haben, veranstaltete riesige Treibjagden in der Hoffnung, auch die Bestie würde irgendwann unter den erlegten Wölfen sein. Aber das Morden des Ungeheuers ging weiter. Jetzt wurde Duhamel vom König gewaltig unter Druck gesetzt. Mittlerweile berichteten nämlich Zeitungen in ganz Europa über die Geschehnisse im Gévaudan, und besonders in der deutschen und englischen Presse wurde der französische König wegen seiner augenscheinlichen Unfähigkeit, einen simplen Wolf erlegen zu lassen, mit Kübeln von Spott übergossen. Duhamel wechselte daraufhin die Taktik. Er wollte die Bestie in einen Hinterhalt locken, bei dem als Frauen verkleidete Soldaten als Köder dienten – ging man doch davon aus, dass die mörderische Kreatur die vermeintlich »leichtere« Beute eher angreifen würde. Als jedoch wiederum der Erfolg ausblieb, zog Duhamel mit seinen Dragonern frustriert wieder ab. Bei Hofe und bei Ludwig XV . war der glücklose Kapitän inzwischen in Ungnade gefallen. Der König griff jetzt tief in die Staatskasse und setzte ein Kopfgeld von 6000 Livres für die Ergreifung der Bestie aus – eine für die damalige Zeit ungeheuerliche Summe. Eine Summe, die etwa dem Gegenwert von 60 Pferden entsprach. Von der Belohnung angelockt, traten Wolfsjäger aus allen Teilen Frankreichs zu einer beispiellosen Wolfsjagd an, der mehrere 100 Wölfe zum Opfer fielen. Bei der größten Treibjagd im Februar 1765 waren angeblich über 20 000 Personen beteiligt. Aber auch während dieser Treibjagden fanden weitere tödlich verlaufende Überfälle außerhalb des bejagten Gebietes statt. Das sinnlose Dahinmetzeln ganzer Wolfspopulationen ließ die Bestie offenbar völlig unberührt. Ihre blutige Serie ging weiter.
Im Sommer 1765 begab sich dann schließlich François Antoine, seines Zeichens königlicher Armbrustträger und Zweiter Jäger des Königs, zusammen mit 14 Jagdhütern und einigen Dutzend Hunden auf die Jagd nach der Bestie. Und die Bemühungen des »persönlich Beauftragten des Königs« waren von Erfolg gekrönt: Am 21. September 1765 brachte Antoine auf dem Gelände einer Abtei einen stattlichen Wolf, den sogenannten Loup de Chazes, zur Strecke. Zur positiven Identifizierung wurde ein unter dem Namen »La Pucelle« bekanntes 16-jähriges Mädchen, das die Bestie einige Wochen zuvor mit einer Spindel (!) vertrieben hatte, als Zeugin herangezogen. Danach reiste Antoine recht zügig ab, zum einen, um sich in Paris für seine Heldentat gebührend feiern zu lassen, vor allem aber, um dort natürlich auch die ausgesetzte Belohnung zu kassieren. Der Kadaver des Wolfs wurde ebenfalls nach Paris gebracht, wo sich der König selbst stolz mit dem Fell der Bestie zeigte. Als nur wenig später erneut zwei Kinder von der Bestie angefallen werden, vertuschen die Behörden die Geschehnisse. Es sollte endlich Ruhe einkehren im Gévaudan. Außerdem war ja bereits die Belohnung ausgezahlt worden!
Im Juni 1767 scharte dann der damals 20-jährige Marquise d’Apcher, der in der von der Bestie heimgesuchten Gegend lebte, mehrere 100 Jäger und Spurenleser um sich, um der Bestie ein für alle Mal den Garaus zu machen. Die Jagdgesellschaft teilte sich in viele kleine Gruppen auf und durchkämmte systematisch das Land. Und am 19. Juni 1767 war es dann endlich so weit: Der Wildhüter Jean Castel, der seine Waffen mit Silberkugeln geladen hatte, spürte die Kreatur in einem Wald auf und schoss zwei Mal auf sie. Die zweite Kugel traf die Bestie mitten ins Herz und tötete sie auf der Stelle. Als der Leib des Kadavers obduziert wurde, fand man in seinem Magen angeblich die Überreste eines kleinen Mädchens. Die Leiche des Biests von Gévaudan wurde noch mehrere Wochen lang durchs Land gefahren, um den Tod des Monsters zu feiern.
Wer oder was die Bestie von Gévaudan jedoch tatsächlich war, wird wohl nie geklärt werden können. Theorien gab es in den letzten 200 Jahren viele. Ein Wolf kam wohl eher nicht infrage. Das Gévaudan war zwar berühmt für seine Wölfe, aber die Bestie war den Beschreibungen zufolge größer und wilder als jeder bekannte Wolf gewesen. Einige Zoologen glauben schon eher an eine sehr große Hyäne, die da möglicherweise im Gevaudan ihr Unwesen getrieben hat. Natürlich kann auch eine wie auch immer geartete Mitwirkung von Menschen an den Untaten der Bestie nicht ausgeschlossen werden. So sind einige Wissenschaftler heute der Ansicht, dass es
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