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Faszination Menschenfresser

Faszination Menschenfresser

Titel: Faszination Menschenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Ludwig
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besprenkelt werden, bevor es anschließend für einige Tage in Weingeist einzuweichen sei. Zur guten Haltbarkeit müsse das Fleisch dann zum Trocknen an einem trockenen und dunklen Plätzchen aufgehängt werden. Eine Vorgehensweise, die auch dem Geschmack zugutekäme, da sie dem Fleisch »eine Note von zart Geräuchertem« verleihe.
    Der Verzehr von Leichenteilen war vor allem im 17. Jahrhundert besonders in höchsten Kreisen durchaus üblich. So war es dem englischen Monarchen Karl II . (1630–1685) die für damalige Verhältnisse unvorstellbare Summe von 6000 Pfund wert, ein Rezept zur Verflüssigung menschlichen Hirns in die königlichen Finger zu bekommen. Das streng nach Vorschrift gewonnene Destillat, das später einmal als »des Königs Tropfen« in die Medizingeschichte eingehen sollte, applizierte der Monarch dem Vernehmen nach übrigens nahezu täglich.
    Und noch im 18. Jahrhundert empfahl der britische Theologe und Naturforscher John Keogh seinen Patienten zur Heilung von »Schwindel« ein »Quäntchen pulverisiertes menschliches Herz«. Art der Anwendung: »Am Morgen und auf nüchternen Magen.«
    Mitunter kam es jedoch in der Vergangenheit auch zu dem, was in den Medien gern als »Kannibalismus in Extremsituationen« bezeichnet wird. In Ausnahmesituationen kann nämlich allein der nackte Wunsch, einfach nur zu überleben, Menschen zu Kannibalen werden lassen.
    Wenn sie auch nicht so bekannt ist wie das bereits in Kapitel 7 erwähnte Kannibalismus-Drama um die Überlebenden des Walfängers Essex , so ist die Geschichte des Untergangs der französischen Fregatte Medusa doch ein überaus eindrucksvolles Beispiel dafür, zu welchen Grausamkeiten Menschen fähig sind, wenn sie zu verhungern drohen. Die Medusa unter dem Kommando des Kapitäns Hugues Du Roy de Chaumareys strandete am 2. Juli 1816 auf der Arguin-Sandbank vor der westafrikanischen Küste und zerbrach. Da die sechs an Bord befindlichen Rettungsboote für die 400 Schiffbrüchigen bei Weitem nicht ausreichten, wurde auf Befehl des Kapitäns aus den Schiffsplanken der Medusa ein 8 x 15 Meter großes Floß gezimmert, auf dem dann allerdings fast 150 Menschen Platz finden mussten. Bereits nach kurzer Zeit zeigte es sich, dass die Rettungsboote durch das an ihnen vertäute Floß stark in ihrer Bewegungsfreiheit behindert waren und überhaupt nicht vorankamen. Die Besatzungen der Boote kappten daraufhin die Haltetaue und überließen das manövrierunfähige Floß seinem Schicksal. Auf dem völlig überfüllten Floß kam es daraufhin zu dramatischen Szenen. Bereits in der ersten Nacht wurden 20 Männer über Bord gespült. Die restlichen Überlebenden kämpften daraufhin erbittert um die vermeintlich sicheren Plätze in der Mitte des Floßes. Und fast zwangsläufig kam es auch zu mit äußerster Brutalität geführten Verteilungskämpfen um die wenigen vorhandenen Lebensmittel. 65 Menschen kamen bei diesen Kämpfen ums Leben. Die Leichen der Getöteten wurden entweder über Bord geworfen oder von den vor Hunger und Durst fast wahnsinnigen Überlebenden gegessen. Der überlebende Chirurg Henri Savigny schrieb dazu in seinem Bericht: »Diejenigen, die der Tod verschont hatte, stürzten sich gierig auf die Toten, schnitten sie in Stücke, und einige verzehrten sie sogleich. Ein großer Teil von uns lehnte es ab, diese entsetzliche Nahrung zu berühren. Aber schließlich gaben wir einem Bedürfnis nach, das stärker war als jegliche Menschlichkeit.« Als das Floß nach zwölf Tagen durch Zufall von einem vorbeifahrenden Schiff entdeckt wurde, waren nur noch 15 Personen am Leben.
    Im Zweiten Weltkrieg kam es während der fast 900 Tage andauernden Belagerung durch deutsche Truppen in der russischen Stadt Leningrad bei den bitterlich hungernden Einwohnern zu einem derartigen Ausmaß an kannibalistischen Handlungen, dass sich die Behörden gezwungen sahen, spezielle Polizeieinheiten aufzustellen, deren einzige Aufgabe darin bestand, den immer weiter um sich greifenden Kannibalismus in der Stadt zu verhindern.
    Auch auf dem pazifischen Kriegsschauplatz ereigneten sich zahlreiche Fälle von Kannibalismus. Vor allem auf Papua-Neuguinea kam es dabei zu unvorstellbaren Gräueltaten. Ab 1942 wurden nämlich die auf der Insel stationierten 160 000 Japaner nicht mehr mit Nachschub versorgt, sodass sich die Nahrungssituation rasch zuspitzte. Begnügten sich die japanischen Truppen zunächst noch damit, gefallene australische Soldaten zu verzehren, ging man bald dazu

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