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Faszinierend wie der Kuss des Herzogs

Faszinierend wie der Kuss des Herzogs

Titel: Faszinierend wie der Kuss des Herzogs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: AMANDA MCCABE
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sie ihn nirgendwo – keine Spur von ihm. Hatte sie sich seine Ankunft nur eingebildet, die Umarmung, den Kuss? War sie überarbeitet und erschöpft? Hatte ihr die Fantasie deshalb einen Streich gespielt?
    Aber als sie sich dem Bauernhaus näherte, entdeckte sie Hufabdrücke in der feuchten Erde. Und sie suchte vergeblich nach ihrer Brille. Hastig hatte sie die Teerplane und die Werkzeuge weggeräumt und war nach Hause zurückgekehrt, um sich ihren Studien zu widmen. Zumindest hatte sie das erhofft.
    Was war nur in sie gefahren? Averton zu berühren, zu küssen, zu wünschen, die Umarmung möge niemals enden, obwohl ihre Vernunft ihr so dringend empfahl, ihm aus dem Weg zu gehen? Dem Mann, den man einen verwerflichen Wüstling nannte, der nur seinen eigenen Willen gelten ließ und seine elitäre Position schamlos ausnutzte? Und der, noch schlimmer, all die kostbaren Altertümer hortete und sie vor den Augen anderer verbarg?
    Trotzdem hatte sie ihn geküsst und noch viel mehr ersehnt.
    Ihr Kopf sank auf die polierte Schreibtischplatte. Könnte sie diese Insel doch verlassen, die sie so sehr liebte, die bis zu diesem Tag ein Refugium gewesen war … Gewiss, sie könnte nach England zurückkehren und sehen, wie es ihren jüngeren Schwestern in Chase Lodge ging …
    Nein. Die Chase-Musen waren keine Feiglinge. Wenn ich auch nicht die Kühnheit Thalias besitze, die in eiskalten Seen schwimmt und die höchsten Berge erklimmt, oder die Anmut Calliopes – ich bin stark und muss mich behaupten, dachte Clio. Sogar in Avertons Anwesenheit. Wer würde die Geheimnisse des alten Bauernhauses ergründen, wenn sie abreiste?
    Wahrscheinlich der Duke. An diesem Morgen hatte er sich sichtlich für ihre Ausgrabungsstätte interessiert, bevor sie aus dem Keller geeilt war. Und sie durfte ihm nicht erlauben, die Ruine zu erforschen.
    Sie stand vom Schreibtisch auf, trat ans Fenster und straffte die schmerzenden Schultern. Seufzend betrachtete sie den kleinen Garten an der Straße, die um die Kirche herum zum Marktplatz führte. Um diese Tageszeit, am frühen Nachmittag, war es still in Santa Lucia, die Geschäfte hatten während der Siesta geschlossen. Außer ihrem Vater, Lady Rushworth und Cory, die im Schatten des Mandelbaums saßen und lasen, ließ sich niemand blicken.
    Nur ein paar Sekunden lang überlegte Clio, ob auch sie sich ausruhen, unter die Brokatdecke auf der Chaiselongue in ihrem Zimmer kriechen und den Duke im Schlaf vergessen sollte … Nein, es war unmöglich. Zweifellos würde er in fiebrigen Träumen erscheinen, so wie immer.
    Doch sie konnte auch nicht mehr studieren. Dafür war sie zu rastlos, zu zerstreut. Als es an der Tür klopfte, drehte sie sich um. „Herein!“, rief sie, dankbar für die Ablenkung.
    Thalia betrat die Bibliothek. Inzwischen hatte sie ihre klassische Antigone-Robe und den Schleier mit einem stilvollen rosaweiß gepunkteten Musselinkleid und einem blauen Spenzer vertauscht. Unter ihrem Arm steckte ein Strohhut mit rosa Bändern. Mit ihren hochgesteckten, von einem rosa Band umwundenen Locken, den großen blauen Augen und dem hellen Teint glich sie einer perfekten Porzellanschäferin.
    Von ihrer hübschen, unschuldigen Fassade ließen sich viele Männer täuschen – und entdeckten bestürzt eine kämpferische Seele. Immer wieder erklärte Thalia, sie sei zu beschäftigt, um zu heiraten, und Clio glaubte ihr. Wo würde die Schwester einen Mann finden, der zu ihr passte – machtvoll und erfinderisch wie Zeus, schön wie Apollo, stark wie Herkules?
    „Arbeitest du?“, fragte Thalia und eilte zum Schreibtisch. Neugierig blätterte sie in einigen Papieren und inspizierte die Bücher.
    „Das habe ich versucht“, antwortete Clio, ans Fensterbrett gelehnt. „Aber aus irgendwelchen Gründen kann ich mich nicht konzentrieren.“
    „Ich auch nicht. Vermutlich liegt es an der Hitze. Rosa sagt, der Sommer beginnt. Bald wird die Sonne alles verbrennen.“
    „Hoffentlich nicht! Vorher muss ich meine Nachforschungen im Keller des Bauernhauses beenden.“
    „Und ich möchte in meinem Drama auftreten. Wenn es zu heiß ist, will niemand auf den Steinbänken des Amphitheaters sitzen.“
    „Niemand außer all deinen jungen Bewunderern in Santa Lucia! Die würden dir stundenlang zuschauen. Natürlich sind sie alle unsterblich in dich verliebt.“
    Verächtlich winkte Thalia ab und legte das Buch, in dem sie ein paar Zeilen gelesen hatte, auf den Schreibtisch zurück. „Eine Stadt voller Engländer und

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