Faszinierend wie der Kuss des Herzogs
Gemeinde von Santa Lucia, die sich – wie die Chases – leidenschaftlich für das Altertum interessierte. Viscount Riverton hatte eine bemerkenswerte Sammlung klassischer Altertümer besessen, insbesondere griechische Münzen. Während seine Witwe behauptete, seine Forschungsarbeit fortzusetzen, schien sie sich nur für Partys, Klatschgeschichten und Hüte zu interessieren. Weil sie so viele Hüte ihr Eigen nannte, dachte Clio manchmal, ein vielköpfiger Zerberus müsste ihre Tür bewachen, der all die Hüte auf einmal tragen könnte.
Aber sie musste ihr Wort halten. „Gut, ich ziehe mich nur rasch um“, erklärte sie und zeigte auf ihr altes braunes Musselinkleid mit dem staubigen Saum.
„Setz einfach nur einen eleganten Hut auf“, riet ihr Thalia. „Alles andere wird sie gar nicht bemerken.“ Lächelnd stülpte sie Clio ihren eigenen Hut auf den Kopf, zupfte an den rosa Bändern und sang: „ Oh, là, là! Sind die Chase-Schwestern nicht schrecklich à la mode ? Braun und rosa, Clio, der letzte Schrei in Paris … Wo ist eigentlich deine Brille?“
6. KAPITEL
Lady Rivertons Palazzo war der großartigste in der Stadt, wenn er auch nicht an einer so spektakulären Stelle emporragte wie das weitläufige Domizil der Baronin Picini. Vor ihrem Einzug hatte die Witwe das Gebäude streichen und mit neuem Stuck versehen lassen. Strahlend weiß schimmerte es in der Sonne. Clio und Thalia betraten den Garten durch ein blank poliertes schwarzes Schmiedeeisentor und hörten den restaurierten Brunnen plätschern.
„Allzu lange werden wir nicht hierbleiben“, bemerkte Clio. Ihre Schwester hatte den Türklopfer betätigt, und sie warteten, bis man sie einlassen würde.
„Natürlich nicht“, stimmte Thalia zu und glättete ihre rosa Glacéhandschuhe. „Nicht einmal eine Stunde würden wir ertragen, ohne zu schreien.“
Der Butler öffnete ihnen. Wie immer, wenn Clio Ihre Ladyschaft besuchte, glaubte sie, nach England zurückzukehren.
Im Gegensatz zum gemieteten, mit komfortablen, aber etwas schäbigen Möbeln eingerichteten Haus der Chases war der Palazzo mit exquisiten Möbeln aus glänzendem dunklem Holz ausgestattet. Zwischen Sesseln, Sofas und Hockern, mit blauweiß gestreiftem Satin bezogen, prangten verschiedene Stücke aus Lady Rivertons Sammlung – Vasen, antike Truhen, Fragmente von Statuen und Vitrinen, in denen die antiken Münzen ihres verstorbenen Gatten ausgestellt waren.
Die Hausherrin saß in einem Sessel, der einem Thron glich, hinter einem mit Porzellan und Silber gedeckten Teetisch. Darauf standen Platten mit winzigen Sandwiches und glasierten Kuchen. Das zierliche Spitzenhäubchen auf ihrem hellbraunen Haar passte zum Fichu, das den Ausschnitt des lindgrünen Musselinkleids schmückte. An ihren Ohren baumelten antike Gemmen.
In einer anderen Lebensphase wäre Clio versucht gewesen, diese Gemmen zu „befreien“. Aber sie hatte Calliope ihr Wort gegeben. Und so sagte sie nur, nachdem sie Ihre Ladyschaft begrüßt hatte: „Was für zauberhafte Ohrringe …“
Lady Riverton lachte perlend und spielte mit einer der Gemmen. „Die hat mir mein lieber verblichener Gemahl geschenkt. Er besaß einen ausgezeichneten Geschmack. Wie nett, dass Sie mir beim Tee Gesellschaft leisten, Miss Clio und Miss Thalia! In letzter Zeit sehen wir Sie nur selten, weil Sie ständig mit Ihrem Vater die Umgebung erforschen.“
Höflich nickte Clio den anderen Gästen zu – Lady Elliott, deren Ehemann zusammen mit ihrem Vater in der alten Villa gearbeitet hatte, und ihren Töchtern sowie Mrs. Darby und deren Tochter. Dann nahm sie ebenso wie Thalia Platz. Lady Rivertons ständiger Begleiter Ronald Frobisher – ihr cicisbeo, wie Thalia ihn nannte – saß nicht an ihrer Seite, und das war höchst ungewöhnlich.
„In Sizilien gibt es viel zu sehen“, erwiderte Clio und ergriff die Teetasse, die Lady Riverton ihr reichte, „und viel zu tun.“
„Oh, das weiß ich.“ Ihre Ladyschaft lachte wieder. „Immerhin gehörte Viscount Riverton zu den ersten Sammlern, die das Potenzial dieser Gegend erkannten. Als er mit Nelson hierherkam, war das hier nur ein unbedeutendes Tal. Nun bin ich froh, dass seine Arbeit auf so wundervolle Weise fortgesetzt wird. Aber junge Damen sollten auch an ihr Amüsement denken.“
„Ja, allerdings!“, rief Miss Darby. „Dauernd sage ich zu Mama …“
Hastig berührte Mrs. Darby den Arm ihrer Tochter, um einen drohenden Wortschwall zu unterbinden. „Und wir sind Ihnen sehr
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